…Thema: Zeitzeugen

Ganz hinten in einer wohlbehüteten Ecke meines Bücherregals ist ein Zeitzeuge zu finden, der einmal meiner inzwischen verstorbenen Schwiegermutter gehört hat. Es handelt sich um ein Buch, das ziemlich mitgenommen aussieht und nur noch von einigen Tesa-Streifen zusammengehalten wird.

2011_06_18_GdS_Zeitzeugen

Aber auch wenn dieses Buch nicht so lädiert aussähe, lässt bereits das Bild und der in altdeutscher Schrift verfasste Titel „Erprobte Rezepte“ vermuten, dass es schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Das genaue Alter lässt sich anhand des Buches nicht mehr feststellen, aber es handelt sich um die 11. vermehrte und verbesserte Auflage in der auch ganz explizit die Hausfrau angesprochen wird, die stets auch Freude am Mahl bei jung und alt auslösen soll, ganz besonders dann, wenn sie es versteht, Abwechslung in den Küchenzettel zu bringen.

Es scheint sich um ein Maggi-Kochbuch zu handeln, da neben der Maggi-Würze auch gern Maggi’s Bratensoße oder Maggi Fleischbrühwürfel eingesetzt werden. Eingezeichnete Pfeile und Fettflecken verraten, dass hier eine fleißige Hausfrau am Werk gewesen sein muss und dieses Büchlein dabei zur Hilfe nahm. Auch findet sich in dieser Rezeptsammlung ein auf inzwischen vergilbtem kariertem Papier in Sütterlin geschriebenes Rezept für Spritzgebäck, von dem ich weiß, dass meine Schwiegermutter es besonders gern aß. Sicherheitshalber hat sie wohl daher auch selbiges Rezept auf einem leeren Vanillin-Zucker-Tütchen der Firma Ruf, die damals noch in einem Ort mit dreistelliger Postleitzahl (457 Quakenbrück) ansässig war, gleich dazu aufbewahrt. An verschiedenen Stellen im Buch sind aus unterschiedlichen Illustrierten ausgeschnittene Rezepte zu finden.

Auch enthalten ist ein kleines rosafarbenes Heft mit dem Titel „Diätvorschrift“ für Herz- und Nierenerkrankungen, in dem von verbotenen und erlaubten Lebensmitteln geschrieben steht und ich zum ersten Mal von dem natriumarmen Diätsalz mit dem Namen Sina-Salz erfahre, das wohl auch heute noch zum Einsatz kommt. Dieses Heftchen muss meinen Schwiegervater betroffen haben, da er herzkrank war.

Und wie ich so weiter blättere, kommen mir bei diesem Zeitzeugen viele Dinge zurück ins Gedächtnis. Hauptsächlich Kurioses und Schönes – an nicht so Schönes, was mit dem Älter werden zu tun hatte, will ich mich in meiner nostalgischen Stimmung nicht erinnern. Ich stöbere durch einige Rezepte und die altdeutsche Schrift macht mir immer weniger Probleme. Auf der letzten Seite halte ich bei einem Rezept verwundert inne. Es handelt sich um:

Eierbier
1 Flasche Malzbier
1 Eigelb
1 Stückchen Zitronenschale
Zucker nach Geschmack
Röhrchenzimt

Das Bier mit Zucker, Zimt und Zitronenschale fast zum Kochen bringen, vom Feuer nehmen und das verquirlte Eigelb darunterziehen. Die Zitronenschale und den Röhrchenzimt entfernen und das Getränk in Gläsern anrichten.

Ob das schmeckt? Ich fühle mich nicht mutig genug es auszuprobieren 🙂


punkt1-259x300„Punkt, Punkt, Punkt“ ist ein Projekt von Sunny von Always sunny, bei dem die Woche Sonntags mit einem von den Teilnehmern vorgeschlagenen Wort startet, zu dem sie dann einen Beitrag auf ihrem Blog veröffentlichen können. Pro abgegebenem Bild/Beitrag sammelt Sunny 5 Cent auf einem Spendenkonto. Das Geld bekommt in 2017 Ärzte ohne Grenzen. Eine tolle Idee!

16 Kommentare zu „…Thema: Zeitzeugen

  1. Liebe Yvonne,
    was für ein beeindruckendes Zeitzeugnis! Dieses Buch birgt wirklich Zeugen der vergangenen Zeiten, vor allem weil es offensichtlich benutzt und ergänzt worden ist. So wie Du es beschreibst, hat man das Gefühl, man sieht richtig, wie in diesem Rezeptbuch geblättert wurde.
    Das Malzbier-Rezept ist echt originell, aber auch ich würde es beim Nachlesen lassen und nicht ausprobieren. 😉
    Lieben Gruß
    moni

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  2. Tolle Idee, darauf wäre ich nicht gekommen. Solche alten Schätzchen besitze ich auch noch, einfach herrlich.
    Das Rezept kenne ich noch von meiner Oma, allerdings mit dem Eigelb in Rotwein. Hab ich auch noch nie ausprobiert, hört sich ja auch nicht so lecker an, soll aber eine sehr kräftigende Wirkung haben…:-)

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  3. Meine Mutter hatte auch noch ein solches Kochbuch, vielleicht bekam man dies früher zur Hochzeit geschenkt?
    Mit Maggi und anderen Helfershelfern ging man damals sehr unkritisch um und sie galten als Gottesgeschenk für die tüchtige Hausfrau 😉
    LG
    Sabienes

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  4. Hallo Yvonne,
    wow da hast du ja etwas tolles und einen echten Zeitzeugen. Postleitzahlen mit drei Ziffern, lange ist es her. Meist sind in solchen alten Kochbüchern richtig gute Rezept. Kochst du manchmal danach? Das Maggi kann man ja zur Not weglassen, ich finde den Geschmack soooo richtig schrecklich, aber das nur am Rande.
    Das Bier könnte ich mir schon vorstellen, allerdings wohl eher ohne das Ei ;-).

    Liebe Grüße
    Sandra

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    1. Hallo Sandra,
      gekocht habe ich nach diesem Büchlein noch nichts, aber ich halte es in Ehren. Es ist aber auch interessant, wie zurückhaltend insgesamt die Maggi-Werbung in dem Buch ist. Ein Mal ist eine Würzflasche abgebildet und ansonsten kommen einige Maggi-Produkte in einigen Rezepten vor. Das kennt man heute ganz anders.
      LG Yvonne

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  5. Das ist echt toll 🙂 Ich würde das Eierbier wahrscheinlich auch nicht ausprobieren…So mutig bin ich im Thema Essen nämlich wirklich nicht 😀 Wir haben dich übrigens beim Mystery Blogger Award nominiert. Vielleicht hast du ja Lust mitzumachen.
    Liebe Grüße Ayla

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