abc.etüden: Trauerzeit

Die Fassungslosigkeit war einer tiefen Traurigkeit gewichen. Dabei hatte die Natur lediglich ihren Lauf genommen und die Kräfte der immer dünner gewordenen struppigen Katzendame aufgezehrt.

Längst war kein Tag mehr vergangen, an dem ich nicht daran denken musste, dass unsere gemeinsamen Stunden gezählt waren. Aber es war auch kein Tag vergangen, an dem ich diese gemeinsame Zeit nicht zu schätzen gewusst hätte. Die Streicheleinheiten wurden immer behutsamer, das Schnurren dafür umso lauter und es war kaum auszumachen wer von uns beiden die Schmuseeinheiten mehr genoss. Und doch war es irgendwann so weit, dass der Napf voll blieb, tagelang.

Ich redete mir ein, dass eine Vitaminspritze sie wieder aufpäppeln würde, aber sie lebte bereits von geborgter Zeit, wie ich von der Tierärztin erfuhr. Man ließ uns den Raum und so kam es, dass die alte Katzendame noch ein letztes Mal in meinem Arm einschlafen durfte, bevor ich vor Liebe und Schmerz kaum noch atmen und nichts mehr unverwässert sehen konnte. Dennoch habe ich sie nur in meinem Herzen zu Grabe getragen, da es keine Pfründe gibt, um sie mondän beerdigen zu lassen. Aber hätte das wirklich etwas geändert?

In Gedenken an Lara (17.05.2000; †15.10.2018)


Bei den abc.etüden geht es darum, 3 Worte in einer Geschichte unterzubringen, die maximal 300 Wörter umfasst. Dieses Mal: Pfründe, mondän, lassen.

10 Kommentare zu „abc.etüden: Trauerzeit

  1. Es hätte nichts geändert, da hast du recht, liebe Yvonne. Auch bei Menschen hilft die mondäne Beisetzung in einer Marmorgruft genauso wenig wie das Verstreuen ihrer Asche im Friedwald. Keine Pfründe sind in der Lage, das Leben wieder aufblühen zu lassen. 😦

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  2. Ach Mensch, 18 gemeinsame Jahre! Auch wenn man es weiß, dass es irgendwann zu Ende sein wird, jeder Abschied ist schrecklich und hinterlässt kraterartige Löcher im Herz.
    Dir Gutes; ich finde es schön, dass du trotz allem deinen Schmerz mit uns teilst. Vielen Dank dafür.
    Liebe Grüße
    Christiane

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  3. Deine Geschichte hat mir nochmal die Tränen in die Augen getrieben und mir bewußt gemacht, wie gerne ich die eigenwillige Katzendame mochte. Ich werde sie nie vergessen!

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  4. Wie die Erlebnisse sich gleichen und doch einmalig sind: Lilli hieß meine Katze, die 2017 achtzehnjährig starb. Sie hat sich von mir verabschiedet. Als ich meine Kinder besuchte, kam sie, die sich, abgemagert, in irgendeiner dunklen, warmen Ecke des Hauses verkrochen hatte, noch einmal zu mir, ließ sich auf den Arm nehmen, rücklings und sich den Bauch kraulen, wie sie es über die vielen Jahre so liebte und sich nur von mir gefallen ließ. Wenige Tage später war es Zeit, sie einzuschläfern, während ich 300 Kilometer entfernt arbeitete und nur noch die traurige Nachricht in Empfang nehmen konnte. Danke für das Triggern dieser Erinnerung. Liebe Grüße, Bernd

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    1. So viele Jahre und viele Erinnerungen an die schönen und manchmal auch kuriosen Zeiten mit dem geliebten Tier – kleine Perlen im Gedächtnis. Bei mir glänzen sie allmählich auch voller Wärme und tun nicht mehr ganz so weh.
      Liebe Grüße
      Yvonne

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