abc.etüden: Begehrlichkeiten

Nun wurden auch noch bunte Käsepralinen mit Wildkräutern und Blütentopping zwischendurch als Häppchen gereicht. Dazu gab es ein durch Gold gefiltertes Mineralwasser aus Kanada – wahlweise mit Apfel-, Birne-, Zitrus- oder Himbeer-Aroma. Ein Wunder, dass die Wanderwege nicht mit Juwelen gepflastert waren. Und auch wenn jedem Teilnehmer in Form des Gehstocks aus Edelstahl ein nobler Begleiter an die Seite gestellt wurde, wandern musste man die Strecke noch selbst. Belohnt würde man am Ende des Tages mit einem luxuriösen Zeltcamp, das einen in die Welt von 1000 und einer Nacht entführen würde.

Eigentlich war es eine schöne Überraschung gewesen und sie hatte sich sehr darüber gefreut. Doch nun hing sie nur ihren Erinnerungen nach und sehnte sich nach dem, was sie gerade nicht haben konnte. Ihr fehlte die Verbundenheit mit der Natur. Die Stille und die Fülle, die in der Beschränkung auf das Wesentliche liegen kann. Was war eigentlich aus der Welt geworden, als der größte Luxus die Zeit war, die man auch gerne in gemütlichem Beisammensein am Lagerfeuer teilte und dabei gelegentlich herzhaft in sein Stockbrot biss?

War diese Zeit einfach irgendwann vorbei, weil man erwachsen wurde? Weil auch die Kinder erwachsen wurden? Oder war es einfach der Lauf der Dinge, dass alles immer größer und besser werden musste, bis man den Punkt erreichte, an dem man sich die einfachen Dinge zurück wünschte?


Bei den abc.etüden geht es darum, 3 Wörter in einer Geschichte unterzubringen, die maximal 300 Wörter umfasst. Dieses Mal: Praline, herzhaft, wandern.

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10 Kommentare zu „abc.etüden: Begehrlichkeiten

  1. Ja, alles verändert sich. Man selbst leider auch 😉. Auch ich habe manchmal Sehnsucht nach jener Zeit, obwohl ich Stockbrot (außen schwarz, innen roh) nie wirklich mochte …
    Allerdings muss es für mich auch nicht immer erlesener sein (Mineralwasser durch Gold gefiltert? Also bitte!) 🤔😟😉
    Danke für die Etüde! 😁👍
    Abgekühlte Morgenkaffeegrüße 😁⛅🌼🐦☕🍪👍

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    1. Ich muss gestehen, dass ich noch nie in den Genuss von Stockbrot gekommen bin, aber Lagerfeuerromantik ist mir nicht fremd. Das Goldwasser gibt es tatsächlich, ich stieß darauf als ich nach dem zur Käsepraline passenden Luxuswasser googelte. Darauf doch erst mal eine leckere Tasse Kaffee 😉☕

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  2. Ohne Erinnerungen könnten wir doch unseren momentanen Zustand gar nicht bewerten und auch nicht wertschätzen oder – wenn nötig – uns gar wieder rückwärts wenden.

    Ich finde solche Geschichten immer als schönen Anstoss, sich mal zu besinnen.

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    1. Es sind wohl die Gegensätze, die erst die Wertschätzung der einen oder der anderen Seite möglich machen, um sie dann so richtig genießen zu können.

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  3. Die Kontraste vom bis zum Absurden veredelten, sich selbst beweihräuchernden Glamping-Event und dem qualmenden Stockbrot-Zelten von früher, die Wehmut im Luxus zu beschreiben ist sehr gut gelungen.

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