abc.etüden: Selbsterfüllende Prophezeiung

Der Oktober nahte und bald würde sich das Jahr wieder dem Ende zuneigen. Dann würden die Wahrsager wieder Hochkonjunktur haben und sich mit ihren Prophezeiungen für das neue Jahr gegenseitig überbieten oder sogar pessimistisch unterbieten. Doch ihr war das alles zu pauschal und warten wollte sie auch nicht. Sie brauchte Inspiration und wollte schon jetzt einen Blick in die Zukunft wagen. In der Schublade kramte sie nach ihren Tarot-Karten. Abgegriffen sahen sie aus. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie oft die Karten bemüht hatte, doch das hatte irgendwann nachgelassen.

Gleich neben den Karten fand sie auch das Deutungsbuch und schon konnte es losgehen. Zunächst mischte sie anständig die Karten durch und zog ihre Tageskarte. Es handelte sich um eine Karte, die für eine Lebensphase der Fülle, für Reichtum, Sicherheit, Stabilität und Unbeschwertheit im Alltagsleben stand.

Eine durch und durch positive Karte, die ihrem Bedürfnis, sich einzuigeln und sich wieder im Bett zu verkrümeln völlig entgegen stand und darüber hinaus noch darauf hinwies, dass man die Augen nur wirklich öffnen musste, um auch den angeblich grauen Alltag in dem, was er wirklich zu bieten vermag, erleben zu können.

Es war also endlich die Zeit gekommen, dem Bedürfnis nach Rückzug zuwider zu handeln. Einfach die Gelegenheit zu nutzen und den Sonnenschein bei einem Herbstspaziergang zu genießen und danach zu sehen, was der Tag noch für sie bereit hielt. Zeit sich anzuziehen und rauszugehen.


Bei den abc.etüden geht es darum, 3 Wörter in einer Geschichte unterzubringen, die maximal 300 Wörter umfasst. Dieses Mal: Prophezeiung, anständig, verkrümeln.

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13 Kommentare zu „abc.etüden: Selbsterfüllende Prophezeiung

  1. Das ist mal eine andere Selbst-Prophezeiung! 😉 Ich hoffe sehr, dass sie eintrifft! 😁
    Wobei ich mich immer anders fühle, wenn ich mir selbst die Karten lege, als wenn ich jemanden anders bitte, das muss ich ja zugeben … 🤔😉
    Danke dir, mag ich sehr. Viel Spaß draußen! 🌳🌻🌲🍃🍁
    Morgenkaffeegrüße 😁🌥️☕🍪👍

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    1. Ich habe tatsächlich die Karten nach langer Zeit für diese kleine Geschichte herausgekramt, weil ich auch neugierig auf die Tageskarte war. Sie hat zwar gepasst, aber doch ganz anders als in dieser Etüde. Der Spaziergang wird natürlich nachgeholt 😉
      Einen bezaubernden Tag wünscht
      Yvonne 🌻

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  2. Ja, mal eine ganz andere Welt, zumindest für mich. Denn ich habe noch nie für mich oder selbst Karten legen lassen/gelegt.
    Nur einmal in Thailand hat mir ein altes Mütterchen aus der Hand gelesen und mir prophezeit, dass ich zwei Kinder haben werde. Ist auch so eingetroffen.

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      1. Oh, du meinst das im ‚Ausblick‘ aufgeführte Buch? Das lese ich noch, musste es aber aufgrund von Konzentrationsproblemen erstmal pausieren. Mich hatte seinerzeit ‚Atemschaukel‘ so sehr begeistert und ich wollte unbedingt mehr von Herta Müller lesen. Das Buch werde ich aber wohl in Kürze weiterlesen können. Kennst du es?

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      2. Ja, das meine ich und ich kenne es auch bloß zum Teil (es war geborgt und ich mußte es zurückgeben), doch werde ich es jetzt weiterlesen … 😉 – ich finde es nicht ganz so düster wie die Atemschaukel und es ist zum Teil Platz für tiefschwarzen Humor (ich empfinde es so), trotz des TodErnstes der geschilderten Welt in der Diktatur. Atemschaukel war auch bei mir das erste, das ich von Herta Müller las – und fürchtete mich vor jedem neuen Satz, weil jedes einzelne Wort dieser (Nach)Erzählung ein Schwergewicht ist und natürlich davor, was im Lageralltag noch alles Schreckliche passieren wird. Vermutlich war ich ebenso begeistert von der Sprache wie du 😉 …

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      3. Die Sprache hat mich wirklich begeistert, aber die Intensität der Schilderungen vertrage ich nicht immer. Vielleicht ist „Der König verneigt sich und tötet“ ja auch ein Buch, das in Etappen genossen werden kann und muss. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, was mich noch erwartet und wünsche dir einen unbeschreiblichen Lesegenuss 😉

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      4. Heute geh’n mir die Essays leichter unter die LiteraturNase – ‚Einmal anfassen – zweimal loslassen‘ ist grad reingeflutscht wie ein Bilderbuch; dabei gehöre ich eher zu den langsamen Wortklaubern 😉 … ich wünsche dir ebenfalls viel Genuß mit dem „König“ !

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  3. Spannend welche Faszination von solchen Prophezeiungen ausgeht. (Dabei habe ich selbst eine Tarotkarten-Etüde geschrieben, die ich Samstag veröffentliche). Noch spannender ist, dass es manchmal eben diesen „Schubs“ von außen braucht. Aber … ist eine Tarotkarten etwas von außen, oder doch von innen?!

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