Vor etlichen Jahren sah ich „Der goldene Kompass“ (FSK 12) in einer Verfilmung von 2007 mit Nicole Kidman und Daniel Craig. Mir gefiel sie, aber ich bekam damals schon den Tipp, lieber zu den Büchern der Fantasy-Trilogie „His Dark Materials“ zu greifen, denn die seien um Längen besser. Mich hat das damals neugierig gemacht und doch hat es einige Jahre gebraucht, bis ich schließlich „Der goldene Kompass“ las. Anschließend schaute ich mir den Film nochmal an und fand die Umsetzung grottenschlecht. Mir wollte sich nicht erschließen, was sich die Filmemacher wohl dabei gedacht hatten, die Geschichte dermaßen zu verstümmeln. Damals wusste ich noch nicht, dass der ursprünglich als erster Teil der Trilogie gedachte Film noch während der Produktion Ziel von Protesten US-amerikanischer Kirchen und aufgrund dessen zu einem eigenständigen Film umgestrickt wurde, wobei der gesamte letzte Abschnitt jenes ersten Buches verloren ging. Mich hat dieser Bruch seinerzeit zu sehr getroffen, um weiter zu lesen und zu erfahren, wie die Geschichte in „Das magische Messer“ und „Das Bernstein-Teleskop“ weiter geht. Immerhin verschenkte ich die Bücher im Schuber an jemanden, der den Film sehr mochte, während meine eigenen Bücher im Regal mehr oder weniger vergessen wurden.

Eher mit gemischten Gefühlen schaute ich mir vor einigen Monaten die erste Staffel der ab 2019 ausgestrahlten Serie „His Dark Materials“ (FSK 16) an, bei der der Autor als ausführender Produzent mit beteiligt war. Und dieses Mal war ich begeistert. Denn das Buch „Der goldene Kompass“ ist so gut – und dieses Mal vollständig – umgesetzt worden, dass ich gleich, nachdem ich mir das Finale der ersten Staffel angesehen hatte, „Das magische Messer“ als Buch zur Hand nahm und im Anschluss daran auch noch „Das Bernstein-Teleskop“ las. Mir wurde schnell klar, warum die Bücher von kirchlicher Seite keinen Anklang fanden, denn die Kritik, die am „Magisterium“ geübt wird, wird ab Band 2 deutlich greifbar. Aber hier wird nicht nur Kritik geübt, sondern auch Stoff zum nach- und überdenken von Religiösität geboten, was ich als jemand, der dem gegenüber sehr kritisch eingestellt ist, als berechtigt empfunden habe. Ab dem zweiten Buch wird die Geschichte außerdem ein wenig erwachsener und reift mit ihrer Protagonistin Lyra allmählich heran, die im dritten Teil ein Stadium erreicht, in dem auch ihr Dæmon eine feste Gestalt annimmt.
Es hat mir immer viel Freude gemacht mit Lyra in ihrer Welt unterwegs zu sein, wo jeder Mensch konstant von einem Dæmon in Form eines Tieres mit gegenteiligem Geschlecht begleitet wird. Lyras Dæmon verändert beliebig und spielerisch die Erscheinungsform des Tieres, da sie noch ein Kind ist. Erst mit der Pubertät nimmt der Dæmon eine feste Gestalt an und macht damit auch eine Aussage über den Charakter des Menschen. Mensch und Dæmon sind nicht zu trennen, sie sind wie Leib und Seele. Eine wunderbare Idee, die in Büchern und Serie jedem das Herz erwärmt, der Tiere mag. Außerdem gibt es Hexen, imposante Panzerbären, mordende Engel, Geister, Luftschiffe und die Mulefa, die mich mit ihrer friedfertigen Art vollends verzaubern konnten. Im ersten Teil verschwinden Kinder, aber es werden auch Kinder gefunden und Welten geöffnet. Im zweiten Buch lernt Lyra Will kennen und als Leser erfährt man, was es mit dem magischen Messer auf sich hat und im dritten, kommt es zu DEM großen Kampf.
Noch während ich die Bücher las, war ich gespannt, wie das in der Serie wohl umgesetzt sein würde und konnte es kaum abwarten, mir das anzusehen. Ich wurde nicht enttäuscht. Natürlich hatte ich mir manches anders vorgestellt, kam aber mit der filmischen Umsetzung in der zweiten und dritten Staffel auch gut zurecht. Jedes der drei Bücher wurde in einer eigenen Staffel der Serie „His Dark Materials“ verfilmt und hat mir sehr gut gefallen. Die leicht schmutzige Steampunk-Welt ist passend gewählt und vermittelt die richtige Atmosphäre für diese Geschichte. Die Kritik am „Magisterium“ fällt in den Büchern stärker aus, aber beim Lesen bleibt halt auch einfach mehr Zeit die Geschichte im eigenen Tempo zu erfahren und Denkpausen einzulegen. Und auch das Ende gefällt mir in Buchform besser, da es meine Phantasie nicht ganz so kitschig gestaltet, wie die filmische Umsetzung in der Serie.
Der Schuber bleibt meinem Bücherregal jedenfalls auch weiterhin erhalten und wird ab sofort in Ehre gehalten. Aber ich denke auch ernsthaft darüber nach, die Bücher Über den wilden Fluss (His Dark Materials 0) und Ans andere Ende der Welt (His Dark Materials 4) noch zu lesen. Ich war einfach zu gern in dieser Fantasy-Welt unterwegs – und die Serie „His Dark Materials“ (läuft derzeit unter anderem beim Streamingdienst WOW) schaue ich mir sicherlich auch nochmal an.
-> Trailer zur Serie (Staffel 1) anschauen
His Dark Materials:
Der Goldene Kompass, Das Magische Messer und Das Bernstein-Teleskop
Philip Pulman
Taschenbuchschuber, 1456 Seiten
ISBN: 978-3551357205
Preis: 19,99 € [D]
Verlag: Carlsen
Empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahren
Erschienen: 23. Oktober 2007