Meine BUCHweltreise führte mich dieses Mal in die Weiten Kanadas, um eine Vater-Sohn-Geschichte der besonderen Art zu erleben. Der sechzehnjährige Frank kennt seinen Vater Eldon kaum und empfindet nur Verachtung für den alkoholkranken Mann. Aufgewachsen ist er bei „dem Alten“, der ihm versucht hat indigene Wurzeln zu geben, obwohl er selbst nicht indigener Herkunft ist. Und so hat Frank gelernt in der Natur zu sein, mit ihr zu leben, sie zu schützen und zu achten, während sein Vater ein völlig anderes Leben führte und ihm eigentlich fremd ist. Trotzdem will er ihm seinen letzten Wunsch erfüllen.

Frank verspricht seinem sterbenden Vater, ihn zu einem im Herzen des Landes gelegenen Berg zu bringen, wo Eldon nach der Art der indianischen Krieger begraben werden will. Die beiden brechen zu Fuß und zu Pferd zu einer abenteuerlichen Reise in die Wildnis Kanadas auf – eine Reise, die Frank zu seinen Ursprüngen führt, weil Eldon allmählich immer mehr von seiner Vergangenheit preisgibt und Frank endlich auch etwas über seine Mutter erfährt. Und so bekommen beim Lesen auch die anfangs etwas blassen Charaktere immer mehr Substanz, so dass man manches Verhalten vielleicht nicht entschuldigen, aber in gewisser Weise doch nachvollziehen kann. Die leicht sperrige Geschichte mündet schließlich in einem runden Ende ohne dabei jemals flach zu wirken.
Außerdem nimmt uns Richard Wagamese durch seine bildhaften Beschreibungen mit in die Wildnis der kanadischen Wälder und Berge und erzählt von dem Halt den der junge Frank in der Natur und in „dem Alten“ findet und die ihn so zu prägen vermögen, dass es ihm möglich ist diese schwierige Vater-Sohn-Geschichte gut durchzustehen.
Diese Reise wird in einer wunderbaren Sprache geschildert, die die Landschaft erlebbar und das Lesen zu einem Genuss macht, auch wenn der Inhalt teilweise recht traurig ist. Ein empfehlenswerter Roman über Verlust und Trauer, Wurzeln und Entwurzelung, Einsicht und Mitgefühl und über die heilende Kraft der Natur und des Geschichtenerzählens.
Der Autor Richard Wagamese, geboren 1955 im Nordwesten Ontarios, gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern Kanadas und indigenen Stimmen der First Nations. Als Kind von seinen Eltern getrennt, aufgewachsen in Heimen und bei Pflegefamilien, die ihm eine Beziehung zu seinen indigenen Wurzeln verboten, wurde Wagamese erst im Alter von 23 Jahren wieder mit seiner Familie vereint. Er ließ sich in Kamloops, British Columbia, nieder, wo ihm später von der Thompson Rivers University die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Richard Wagamese verstarb im Jahr 2017.
Von diesem Autor werde ich mehr lesen.
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Richard Wagamese
Das weite Herz des Landes
Aus dem kanadischen Englisch von Ingo Herzke
Gebundene Ausgabe, 288 Seiten
ISBN: 978-3896676665
Preis: 22,00 € [D]
Verlag: Karl Blessing Verlag
Erschienen: 14.09.2020