Niemand verschwindet einfach so – Catherine Lacey

Die 28jährige Elyria verlässt von jetzt auf gleich ihren Mann, ohne eine Nachricht zu hinterlassen und löst ein One-Way-Ticket nach Neuseeland. In Neuseeland angekommen, verliert sie immer mehr den Boden unter den Füßen und versumpft in ihrem ewig um die gleichen Themen kreisenden Gedankenstrudel um den tragischen Tod ihrer Adoptivschwester Ruby, ihre verkorkste Kindheit und die Eintönigkeit ihrer Ehe mit Charles.

51_Niemand verschwindet einfach so

Catherine Lacy lässt den Leser Elyrias Odyssee in der Ich-Form durchleben und kommt ihm damit näher, als ihm gut tun kann. Die Geschichte selbst ist handlungsarm und wird in Form des nicht enden wollenden Bewusstseinsstroms der Protagonistin, ihren inneren Monologen und inneren Dialogen mit ihrem Mann erzählt. Dabei durchlebt man gemeinsam mit Elyria, wie sie geistig immer verwirrter wird, verwahrlost und immer weniger in der Lage ist, eigenverantwortlich zu handeln. Diese dunkle pessimistische Story lässt zwar tief in den verstörten Abgrund seiner Protagonistin schauen, belässt aber doch so vieles im Unklaren, dass man als Leser selbst eine gewisse Unsicherheit verspürt. Diese düstere depressive Geschichte schaffte es sogar, mich in eine eben solche Stimmung zu versetzen, so dass ich bereits nach kurzer Zeit nicht mehr zu dem Buch greifen mochte, obwohl ich mich normalerweise auch gerne in schwierige Charaktere und Handlungsstränge einlese.

Auch der Schreibstil konnte mich nicht begeistern. Ein Bild reihte sich an das andere, so dass der eigentliche Sinn kaum noch durchscheinen konnte.  Außerdem gefielen mir die verwendeten Bilder größtenteils nicht. Da hatte Haut die Beschaffenheit von billigem Klopapier,  Tränen sammelten sich und sie fühlte sie dort blubbern und summen wie einen Teekessel, kurz bevor das Wasser kocht oder in einem anderen Fall fühlte sich die Protagonistin wie eine Dose Hundefutter.

Die endlosen Bandwurmsätze kosten viel Konzentration, erschweren das Lesen und Verstehen und verleiteten mich irgendwann nur noch zum Überfliegen des Textes, weil mich die Bilder, Metaphern und die Schreibweise überstrapazierten. Dieses Buch verursacht nicht nur eine gedrückte Stimmung, es liest sich zudem äußerst sperrig und lässt jede Freude beim Lesen vermissen. Beispielhaft möchte ich hier einen der Sätze zitieren, bei denen ich nur mit den Augen rollen konnte:

„Ich wusste, dass er es nicht gewollt hatte, oder ich meine, es gewusst zu haben, oder es war besser zu meinen, dass er es nicht wollte, aber ich fragte mich, woher ich es mit Sicherheit wissen konnte und ob es nicht treffender gewesen wäre, zu sagen, ich glaubte er habe es nicht gewollt, aber wenn ich das tatsächlich glaubte, hätte ich ja auch ohne weiteres sagen können, ich wisse es, was aber offenbar nicht stimmte, weil ich ja den Rest der Nacht wach lag und darüber nachdachte, woher ich mit Sicherheit wissen konnte, dass er es nicht gewollt hatte, und was diese mangelnde Sicherheit darüber aussagte, wie sehr ich meinem Mann vertraute oder nicht vertraute und darüber, wie gut oder nicht gut unsere Ehe funktionierte, und ob es möglich war, dass wir einander ernsthaften Schaden zufügen wollten, und es war eine Tatsache, dass ich die Alpträume meines Mannes nur entschuldigen konnte, indem ich sie für vollkommen unabhängig von ihm erklärte, was aber wiederum extrem unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich war, weil mein Mann hauptsächlich aus seinem Kopf bestand und ich glaubte, dass es dieser Kopf war, der die Alpträume verursachte.“ (S. 118)

Nichtsdestotrotz wird dieser Roman international gefeiert und als eines der eindrücklichsten Debüts der letzten Jahre bezeichnet. Obwohl ich mich bis zum Schluss des Buches durchgequält habe, kann ich das nicht nachvollziehen.

Für gelungen halte ich hingegen das Cover, welches das immer tiefere Versinken der Protagonistin in ihre finstere Gedankenwelt gut verbildlicht. Auch ist es Catherine Lacey darüber hinaus gelungen die konfuse Gedankenwelt von Elyria glaubhaft zu Papier zu bringen, auch wenn mir die Art und Weise nicht gefallen hat. Wer so etwas lesen möchte, der könnte vielleicht an „Niemand verschwindet so einfach“ seine Freude haben. Ansonsten kann ich diesen Roman nicht weiterempfehlen.

Catherine Lacey wurde in Mississippi geboren und lebt in Chicago. Für ihren ersten Roman »Niemand verschwindet einfach so« wurde sie mit dem Whiting Award 2016 ausgezeichnet. Bettina Abarbanell wurde für ihre Übersetzung dieses Romans ins Deutsche mit dem Brandenburger Kunstförderpreis ausgezeichnet.

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Catherine Lacey
Niemand verschwindet einfach so
Gebunden mit Schutzumschlag, 266 Seiten
ISBN: 978-3-351-03680-5
€ (D) 22.00
Verlag: Aufbau Verlag
Erschienen: 18.08.2017

Das eBook wurde mir freundlicherweise vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanke.

3 Kommentare zu „Niemand verschwindet einfach so – Catherine Lacey

    1. Vielleicht kann dir die Leseprobe weiterhelfen, auch wenn die Protagonistin anfangs noch halbwegs klar denken kann und sich alles noch etwas leichter und nachvollziehbarer liest.

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