Südafrika-Roadtrip (3/3)

Nach der ersten und der zweiten Woche unseres Südafrika-Roadtrips ging es weiter mit der dritten und leider schon letzten Urlaubswoche, bei der wir zunächst in Port Elisabeth Station machten.

Das Wetter war zwar teilweise recht durchwachsen,

aber das hinderte uns nicht daran einen Ausflug zum Addo Elephant Park zu machen. Dort gab es einige Tiere zu entdecken, natürlich auch Elefanten

bei denen es mir doch ein wenig mulmig wurde, als sie ganz dicht an unserem Auto vorbei gingen, auch wenn sie dabei glücklicherweise tiefenentspannt waren.

Tatsächlich hat uns aber am meisten der Büffel beeindruckt, der plötzlich aus dem Dickicht auftauchte und uns mit seiner imposanten Erscheinung ganz leise und ehrfürchtig werden ließ.

Am nächsten Tag verließen wir die Küstenregion und bogen 18 km vor unserem Ziel auf eine abenteuerliche Schotterpiste ab. Der Weg brauchte seine Zeit und führte uns mit dem Auto durchs Wasser kleiner Bachläufe und machte es auch notwendig den ein oder anderen größeren Stein ebenso zu umfahren, wie so manche Kuhherde. Gelegentlich bestätigten Schilder, dass wir noch auf dem richtigen Weg zum Witmos Oxwagoncamp waren, uns aber bis zum Ziel noch etwas gedulden mussten.

Die Schilder ließen unsere Vorfreude und Neugier auf das, was uns erwarten würde, ins Unermessliche wachsen. Kurz vor dem Ziel wurden wir freudig empfangen und im Gemeinschaftsraum mehr als gastfreundlich willkommen geheißen. Sogar der Tisch war für uns für mit frisch gebackenem Brot, selbstgemachter Butter und Aprikosenmarmelade eingedeckt.

Außerdem konnten wir unser Glück kaum fassen, als wir erfuhren, dass wir vier an diesem Tag die einzigen Gäste in dem Oxwagoncamp sein würden.

Mitten im wunderschönen Nichts verbrachten wir eine traumhafte Nacht in dieser ungewöhnlichen Unterkunft und hatten einfach eine so gute Zeit, dass wir hier eigentlich nicht weg wollten.

Doch am kommenden Tag erwartete uns schon das Valley of Desolation.

und im Camdeboo Nationalpark stand uns dieses Mal eine Nacht im Zelt bevor.

So hatte ich auch noch nicht gezeltet und überhaupt ließ auch dieses Camp keine Wünsche offen.

Gar nicht so einfach, diesen Ort zu verlassen um weiter zu fahren. Aber die nächsten beiden Nächte hatten wir in De Rust gebucht wo es in der Nähe unserer Unterkunft

(das obere Häuschen) nicht nur ausgewachsene Strauße zu sehen gab.

Aber wir schauten uns auch den Meiringspoort Waterfall an.

und ließen es uns nicht nehmen, außerdem beim Rust En Vrede Waterfall halt zu machen.

Aber manchmal war vielleicht auch nur der Weg das Ziel.

Doch schließlich war die Zeit gekommen, sich über die Route 62 langsam aber sicher Richtung Flughafen zu unserer letzten Unterkunft zu bewegen.

Aber nicht, ohne in die kultige Kneipe von Ronnie einzukehren

und uns auf einer der vollgekritzelten Wände namentlich zu verewigen, wie es gefühlt schon fantastillionen andere vor uns getan hatten. Meinen BH habe ich allerdings an behalten und nicht zu den anderen hunderten an der Decke hängenden gegeben.

Später gab es dann zur Stärkung kulinarische Leckereien bei Diesel & Creme und viele nostalgische Schönheiten als Schmaus für die Augen.

Unseren letzten Abend in Stellenbosch wollten wir eigentlich in einer Metal-Kneipe verbringen, haben sie aber nicht gefunden und ließen uns ein wenig durch die Stadt treiben. Geendet hat der Abend überraschenderweise bei griechischen Tapas – großartigen griechischen Tapas wohlgemerkt!

Am nächsten Tag erledigten wir noch letzte lebenswichtige Einkäufe

und gönnten uns einen finalen Don Pedro (Vanilleshake mit Kalhua), bevor es zum Flughafen nach Kapstadt ging.

Fazit: Don Pedro schmeckt überall anders und drei Wochen Urlaub sind für Südafrika echt zu wenig 💖

Südafrika-Roadtrip (2/3)

Nach der ersten Woche in der Kapregion, starteten wir regnerisch in die zweite Urlaubswoche und machten einen kurzen Zwischenstopp in Bettys Bay um uns dort verfrorene Pinguine anzusehen, die tapfer Wind und Wetter stand hielten, während wir es kaum abwarten konnten, wieder ins Warme zu kommen.

Weiter ging es nach Hermanus, wo wir darauf hofften uns Wale vom Strand aus ansehen zu können. Wir hielten zwar fleißig Ausschau, doch bei dem durchwachsenen Wetter trafen wir zwar auf die putzigen Klippschliefer,

doch Wale entdeckten wir an der Küste von Hermanus erst am nächsten Tag, – nachdem wir uns eigentlich schon damit abgefunden hatten, in diesem hübschen Küstenort wohl keine Wale mehr zu sehen zu bekommen. Aber plötzlich waren sie da und wir konnten uns einfach nicht daran sattsehen.

Gar nicht so einfach bei so einer Aussicht irgendwann ein Ende finden zu müssen. Aber wir wollten ja an dem Tag noch zur Klipgat Cave,

wurden aber auf dem Weg dorthin erst einmal von Walen in De Kelders aufgehalten, die dort gemütlich an der Küste vor sich hindümpelten. Wir konnten unser Glück kaum fassen.

Die kommenden beiden Nächte verbrachten wir in Cape Agulhas, am schönsten „Arsch der Welt“.

Eigentlich ein Ort, um einfach nur auf der Terrasse zu sitzen, den Blick in die Weite schweifen zu lassen und dem Meeresrauschen zuzuhören. Aber wir haben hier auch eine kleine Wanderung unternommen,

konnten uns nochmal das Wrack der Meisho Maru angesehen, bevor das Salzwasser es gänzlich aufgefressen haben wird,

durften am südlichsten Punkt von Afrika dabei sein, wie sich unsere beiden Mitreisenden verlobten ❤️ und schlossen den Tag mit einem Besuch bei der Waenhuiskrans Cave ab. Meine in die Jahre gekommenen Knie haben sich jedoch das entscheidende Stück nicht zugetraut, weshalb ich leider draußen warten musste. Aber immerhin gab es für mich Kormorane zu beobachten, bevor ich irgendwann mein Strickzeug zückte, während ich auf die Rückkehr der anderen wartete.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Mossel Bay, wo wir im Santos Express eincheckten

und uns gleich darauf auf den Weg zur „longest over-the-ocean-zipline of the world“ machten, weil wir uns dieses kleine Abenteuer gönnen wollten. Doch leider wurde daraus nichts, weil es an dem Tag zu windig und die Zipline daher außer Betrieb war. Also fuhren wir gleich weiter zu der Kaffee-Rösterei, wo es nicht nur an jeder Ecke auf charmante Art gealterte Dinge zu entdecken gab, sondern wo wir uns für den Rest des Urlaubs mit hervorragendem Kaffee eingedeckt haben und außerdem noch leckeren Kuchen serviert bekamen.

Abends gab es dann in uriger Atmosphäre, bei relativ frischem Wind noch leckeres Gegrilltes bei Kaai 4 Brai.

Am nächsten Tag lagen tierische Programmpunkte auf unserer Wegstrecke. Wir besuchten in Plettenberg Bay das „Monkeyland

und schauten anschließend auch bei „Birds of Eden“ vorbei

um die nächsten beiden Nächte in Tsitsikamma zu verbringen. Dort konnte sogar der ein oder andere Wal von der Terrasse aus gesichtet werden,

bevor es dann ernst für mich wurde. Aber meine Bedenken waren spätestens vergessen als ich endlich im Kajak saß,

später auch auf dem Lilo lag um mit den Händen durchs Wasser zu paddeln und eine großartige Zeit zu haben.

Und da Bewegung hungrig macht, kehrten wir abends in dem liebevoll gestalteten „Marilyn’s 60’s Diner“ ein, um dort hervorragende Fritten und leckere Burger zu genießen.

Und auch nach dieser Woche, dachte ich, dass man das kaum noch toppen könnte. Tatsächlich warteten aber auch in der dritten und leider schon letzten Woche unseres Südafrika-Roadtrips noch echte Highlights auf uns 🥰

Ein Blick zurück – Südafrika Roadtrip 2023 (1/3)

Sicherlich nicht ungewöhnlich zu Jahresbeginn ein wenig zurück ins vergangene Jahr zu schauen. Als ich kürzlich von jemandem hörte, der froh war, dass 2023 endlich vorbei war, wurde mir erst bewusst, was für ein unglaubliches Jahr das für mich war und dass ich nur liebevoll und von Kopf bis Fuß voller lebendiger und bereichernder Eindrücke zurückblicken kann.

Es war das Jahr, das damit begann, dass die in mehreren Jahren gereifte und aus diversen Gründen öfter terminlich verschobene Urlaubsplanung in die Tat umgesetzt wurde – nicht ohne Hürden und Umplanungen, ja sogar Umbuchungen – und so für einiges an Aufregung sorgte. Doch manchmal findet sich auch das Gute im Schlechten, so dass der Wechsel zu einer anderen Airline uns einen zusätzlichen Urlaubstag bescherte und uns Vieren endlich nach vielen Monaten hibbeliger Wartezeit und mit einer ins unermessliche steigenden Vorfreude am Freitag, dem 13. Oktober 2023 ins Flugzeug steigen und am späten Samstagnachmittag nach einem Zwischenstopp in Dubai schließlich vom Flug geschafft in Kapstadt landen ließ.

Es folgte die erste Woche, in der wir mit dem Mietwagen in der Kapregion unterwegs waren. Es galt den Tafelberg zu bestaunen und von ihm hinunterzublicken,

den West Coast National Park ins Herz zu schließen,

den Chapman’s Peakdrive (eine der schönsten Küstenstraßen der Welt) entlang zu fahren,

den teilweise wolkenverhangenen botanischen Garten in Kirstenbosch mit seinen pflanzlichen Schönheiten zu genießen,

das kunterbunte Bo-Kaap-Viertel zu bestaunen,

das obligatorische Foto am Kap der Guten Hoffnung zu machen um danach am Olifantbosstrand ein wenig zu wandern und mit dem Käse und Wein, den wir am Tag zuvor beim Fairview Wein-Käse-Tasting in Stellenbosch als würdig mitzunehmen befunden haben, das Leben und meinen 56. Geburtstag zu feiern.

Überhaupt haben wir es uns gut gehen lassen und abends gern bei unserer Unterkunft gegrillt, wenn wir nicht gerade auf einem Foodmarket waren, uns durch Kap Malaiisches Essen probierten, uns in einem Steampunk-Café gestärkt haben oder beim Strandloper in Langebaan die Füße in den Sand steckten und uns einen nach dem anderen am Strand über dem Feuer gegrillten Gang, bestehend aus Fisch, Miesmuscheln, Lobster, Lamm-Eintopf, Koeksisters oder auch dem unvergleichlichen selbstgebackenem Brot mit Butter und Marmeladen und der ebenso handgemachten Strandmusik schmecken ließen.

Aber auch jenseits des Strandlopers waren wir am Strand um den Sonnenuntergang zu genießen und kurz den dicken Zeh in den eiskalten Atlantik zu dippen. Erst am Melkbosstrand

und später dann am Bloubergstrand mit Blick auf den Tafelberg.

Es war eine großartige erste Woche und nach allem, was wir bis dahin schon gesehen und erlebt haben, hätte ich nicht erwartet, dass man das noch toppen könnte – denn schließlich wartete da noch eine Aktivität auf mich, die mir doch mehr zu schaffen machte, als mir lieb war. Aber darüber erfahrt ihr demnächst mehr im zweiten Teil.

Augenblicke im September 2023

Das letzte Augenblicke-Video gab es vor fast zwei Jahren und dann war unsere Freude an dem Projekt irgendwie versiegt. Doch als mein Herzbube und ich uns kürzlich die alten Videos ansahen, hatten wir richtig Freude dabei und beschlossen, ab sofort immer mal wieder auf Bildern und Videos die kleinen und größeren Besonderheiten (auch im Alltäglichen) festzuhalten.

Denn es gibt sie, auch wenn es so manches Monatsende gibt, an dem man sich fragt ob da wirklich etwas war, was ein wenig Glanz in den grauen Alltag gebracht hat. Manches ist einfach viel zu schnell vergessen. Da ist so ein Film eine überraschende Gedächtnisstütze. Und dann gibt es natürlich auch Situationen, in denen man einfach mal den Hintern hochkriegt und es etwas Besonderes unternimmt, damit man Filmmaterial zusammen bekommt. Klingt ein wenig paradox, ist aber doch unglaublich bereichernd.

Aber es gab für uns auch noch andere Gründe, im September dieses Projekt wieder aufzunehmen. Für meinen Herzbuben galt es das Filmen wieder mehr zu üben und Kameraeinstellungen auszuprobieren und ich habe dann mit dem Schnittprogramm (Davinci Resolve) eifrig herumgetestet. Wir hatten beide großen Spaß dabei und wenn ihr möchtet, könnt ihr euch das Ergebnis hier ansehen:

-> Augenblicke im September 2023 (bei YouTube)

Jetzt ist mit dem Projekt aber doch erstmal wieder Pause, denn wir filmen und fotografieren in den nächsten Wochen nicht nur in einem anderen Land, sondern auch auf einem anderen Kontinent. Darauf freuen wir uns schon riesig und am Freitag verrate ich euch noch, was ich als Urlaubsvorbereitung gelesen habe 🙂

Frisch auf dem Buchmarkt: Juni 2023

Der Monat ist fast vorbei. Zeit, einen Blick zurück zu werfen und zu schauen, welche Bücher neu erschienen sind. Aufmerksam geworden bin ich auf einen Roman, in dem es um einen Mord auf einer Schulabschlussfeier geht; um Ellyn, die entdeckt, dass es neben der harten Feldarbeit noch eine andere Welt gibt; um eine Liebeserklärung an das Fahrrad; einen Ägypter, der als Immigrant in London lebt und an der Bürokratie verzweifelt; um die Neunziger, in denen einiges los war; um Amélie Nothomb, die ein persönliches Familienportrait zeichnet und dabei die Geschichte einer Welt im Wandel aufzeigt und ein Buch, das in vier Liebesgeschichten den ganzen Widersinn Chinas umreißt.

Aber seht selbst, vielleicht ist ja auch für euch etwas Interessantes dabei:

01.06.2023: All die ungesagten Dinge von Tracey Lien: Die junge Ky, Tochter vietnamesischer Einwanderer, empfindet bittere Reue, ihren Eltern diesen Satz gesagt zu haben. Nun ist ihr Bruder Denny tot, vor aller Augen ermordet auf der Feier seines erfolgreichen Schulabschlusses. Und nach Jahren kehrt Ky nach Cabramatta zurück, einem Einwanderervorort von Sydney, wo ihre Eltern noch immer leben. Mit ihnen will sie trauern, aber sie möchte auch Antworten auf ihre Fragen: Warum schweigen alle Augenzeugen? Warum hat sich nie jemand ernsthaft um die Aufklärung dieser Tat bemüht? Und warum hat sie selbst die Augen verschlossen vor dem Rassismus und den Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt war?

01.06.2023: Ich, Ellyn von Nell Leyshon (Jetzt als Taschenbuch): England, 1573: Ellyn wächst in armen Verhältnissen auf. Außer der harten Feldarbeit kennt sie nichts. Bis sie eines Tages ihre Gabe entdeckt und merkt, dass es außerhalb ihrer Welt noch eine andere gibt, eine Welt, die sie um jeden Preis kennenlernen will – und die sie am Ende vor die Frage stellt, wer sie sein will und wer sie wirklich ist.

05.06.2023: Zwei Reifen, eine Welt: Geschichte und Geheimnis des Fahrrads von Jody Rosen: Ein Wunder von einem Buch über eine phänomenale Erfindung: das Fahrrad. – Eine einzigartige Liebeserklärung an das Fahrrad: Der Fahrradkurier und Journalist Jody Rosen erzählt mitreißend, klug und charmant von Geschichte und Gegenwart eines genialen Fortbewegungsmittels, das die Welt verändert hat. Eigentlich müsste ein Fortbewegungsmittel aus dem 19. Jahrhundert in unserer Welt mit ihren Smartphones, Ubers und selbst fahrenden Autos hoffnungslos veraltet sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wir leben auf einem Fahrrad-Planeten! Das Fahrrad ist heute das meistgenutzte Transportmittel weltweit. Jody Rosen erzählt kenntnisreich und mitreißend von aristokratischen Jungspunden auf Drahteseln, von Frauen, denen das Fahrradfahren per Gesetz verboten wurde, weil sie ihren Männern davonfuhren, von Fahrradfriedhöfen bis hin zu den BLM-Protesten. Eine unvergessliche Lektüre und ein einzigartiges Geschenk!

05.06.2023: Auf dem Nullmeridian von Shady Lewis: Dieser aufsehenerregende Roman aus Ägypten erzählt davon, was es heißt, weder ankommen noch zurückkehren zu können. – Ein Ägypter lebt als Immigrant in London. Er arbeitet in der Wohnraumbehörde eines für seinen hohen Anteil an Einwanderern bekannten Bezirks. Aber anstatt Menschen eine Bleibe zu vermitteln, verzweifelt er an der Bürokratie. Der Anruf eines Freundes verspricht seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Der Ägypter soll helfen, einen jungen Syrer zu beerdigen, der nach seiner Flucht in London verstarb. Schmerzliche Erinnerungen werden wach, an die eigene Einwanderergeschichte, an die Kindheit als ausgegrenzter koptischer Christ in Kairo.

13.06.2023: No Limit: Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit von Jens Balzer: Es gibt keine Grenzen mehr: Das glaubt man jedenfalls am Beginn der Neunzigerjahre. Die Berliner Mauer fällt, die Welt rückt zusammen, und sie vernetzt sich. Die ersten Knoten des World Wide Web werden geknüpft, die ersten Suchmaschinen programmiert. In Berlin wird Techno zum Soundtrack der Wiedervereinigung, Neonfarben beherrschen das Bild, Piercings und Tätowierungen erobern den Mainstream, das Arschgeweih gerät zum stilistischen Symbol der Dekade. Aber unter der heiteren Oberfläche brechen alte Konflikte auf, Gespenster aus der Vergangenheit kehren zurück. Im Osten Deutschlands, aber nicht nur dort, entsteht eine rechte Jugendkultur bislang ungekannten Ausmaßes. Im zerfallenden Jugoslawien geschieht das Unfassbare: der erste Krieg in Europa seit 1945. Der politische Islam wird zur globalen Bedrohung, und das lange Jahrzehnt endet am 11. September 2001 mit dem Anschlag auf das World Trade Center, das auch ein Symbol der spielerischen, globalisierten Postmoderne gewesen ist. In einem großen, farbigen Panorama erzählt Jens Balzer von einem Jahrzehnt, in dem man an die Zukunft glaubte und ans «anything goes» – und in dem doch auch ein neues Zeitalter der Grenzen, der Identitäten und der Kämpfe beginnt.

21.06.2023: Der belgische Konsul von Amélie Nothomb: Sein erster Posten führt Patrick Nothomb in den jüngst unabhängig gewordenen Kongo. In Stanleyville soll er als Generalkonsul Belgien vertreten. Aber das Jahr 1964 hält anderes bereit, und so muss er, der kein Blut sehen kann, um das Leben Hunderter Geiseln verhandeln. Doch wer ist dieser junge Mann? Amélie Nothomb zeichnet das Bild seiner Kindheit zwischen belgischer Hautevolee und wilden Ardennen. Ein intimes Familienporträt, aber auch die Geschichte einer Welt im Wandel. Ausgezeichnet mit dem Prix Renaudot 2021 und dem Premio Strega Europeo 2022.

28.06.2023: Die Liebe in Zeiten Mao Zedongs von Liao Yiwu: Nach dem Erfolg von »Wuhan« erzählt der Friedenspreisträger und bekannte China-Kritiker Liao Yiwu nun eindrücklich von der Chinesischen Kulturrevolution: die Epoche, in der China zur Diktatur wurde. Im Geheimen entstand Liao Yiwus Roman “Die Liebe in den Zeiten des Mao Zedongs”, der in großartiger Erzählweise den ganzen Widersinn Chinas in einem Leben und vier Liebesgeschichten umreißt. Yiwus großes Buch wurde noch im Gefängnis in Sichuan fertig gestellt und danach Seite für Seite als Kassiber hinausgeschmuggelt. Erst im Berliner Exil fanden die Einzelteile wieder zueinander. Dreh- und Angelpunkt der generationenübergreifenden Geschichte ist die Chinesische Kulturrevolution, die in ihrer Erbarmungslosigkeit zu den schwärzesten Perioden im letzten Jahrhundert zählt. Kinder verrieten ihre Eltern, Liebespaare denunzierten einander – die unterschwellige Angst des Verrats wurde zum täglichen Begleiter. So schildert der Autor authentisch und hautnah die Reise zur Entstehung der Willkür, die China heute erstickt. 

Frisch auf dem Buchmarkt: Mai 2023

Ich habe mich auf dem Buchmarkt mal umgeschaut, was es in diesem Monat Neues gibt und habe natürlich gleich Bücher gefunden, die mich interessieren, mehr als nur interessieren und solche, von denen ich mir fast sicher bin, dass ich sie lesen werde. Eines führt in die Zeit nach Ende des Vietnam-Krieges, eines nimmt mit in die Zeit, als eine Mauer Deutschland trennte, dann gibt es noch Stories der dänischen Autorin Tove Ditlevsen zu entdecken und Kent Haruf belebt mit einem weiteren Roman sein fiktives Städtchen Holt.

Aber schaut selbst, vielleicht ist ja auch etwas für euch dabei:

04.05.2023: Wandering Souls von Cecile Pin: Dieser unvergessliche Roman erzählt die Geschichte der drei Geschwister Anh, Thanh und Minh, die nach Ende des Vietnam-Krieges Ende der Siebzigerjahre mit ihrer Familie in die USA fliehen wollen. Sie stranden in einem Lager in Hongkong, wo sie vergebens auf ihre Eltern warten. Plötzlich liegt es an der sechzehnjährigen Anh, für ihre Geschwister das Versprechen einer besseren Zukunft wahr werden zu lassen. Gemeinsam gelangen die drei nach England. Geplagt von der Schuld der Überlebenden und ohne die schützende Hand der Eltern, müssen sie in dem fremden Land lernen, auf sich selbst zu vertrauen, ohne sich einander zu verlieren.

04.05.2023: Diesseits der Mauer: Eine neue Geschichte der DDR 1949-1990 von Katja Hoyer: Ein bahnbrechender neuer Blick auf das Leben in der DDR – War die DDR ein graues Land voller hoffnungsloser Existenzen? Die renommierte Historikerin Katja Hoyer zeigt in ihrem überraschenden Buch auf profunde und unterhaltsame Weise, dass das andere Deutschland mehr war als Mauer und Stasi. Die Geschichtsschreibung der DDR wird bis heute vom westlichen Blick dominiert. Mit dem Fokus auf die Verfehlungen der Diktatur wird dabei oft übersehen, dass die meisten der 16 Millionen Einwohner der DDR ein relativ friedliches Leben mit alltäglichen Problemen, Freuden und Sorgen führten. Die Mauer schränkte die Freiheit ein, aber andere gesellschaftliche Schranken waren gefallen. Katja Hoyer schildert jetzt vierzig Jahre deutschen Sozialismus aus der Sicht derer, die ihn selbst erlebt haben. Dafür führte sie zahlreiche Interviews mit ehemaligen Bürgern der DDR aus allen Schichten. Das Ergebnis ist eine neue Geschichte der DDR, die nichts beschönigt, aber den bisherigen Blick auf die DDR auf ebenso lebendige wie erstaunliche Weise erweitert, präzisiert und erhellt.

17.05.2023: Böses Glück: Storys von Tove Ditlevsen: Eine frisch verheiratete Frau sehnt sich obsessiv nach einem gelben Regenschirm. Ein Ehemann verjagt die geliebte Katze seiner Frau. Eine betrogene Mutter entlässt impulsiv ihre Haushälterin. Unter der Oberfläche dieser unbeirrbar scharf beobachteten Geschichten über Liebe und Beziehungen im Kopenhagen des 20. Jahrhunderts pulsieren Verlangen und Verzweiflung. Während vor allem die Frauen darum kämpfen, den ihnen zugewiesenen Rollen zu entkommen, träumen sie davon, frei und glücklich zu werden – ohne je ganz zu verstehen, was das wahrhaft bedeuten könnte. Luzide kartografiert Ditlevsen Momente des Alltags, die ein Leben in eine andere Richtung wenden. Der Band »Böses Glück« zeigt sie als Meisterin der kurzen Form.

24.05.2023: Das Band, das uns hält (Ein Holt Roman) von Kent Haruf: Die achtzigjährige Edith Goodnough wurde verhaftet. Ihr Nachbar weiß um Ediths Lebenstragödien und die kleinen Lichtblicke, die vielleicht unweigerlich zu diesem Januar 1977 führten: die entbehrungsreiche Kindheit, der Tod der Mutter, der durch einen Unfall abhängige, stets wütende Vater. Wahrhaftig und einfühlsam entführt Kent Haruf abermals in ein Leben, in dem es an dem meisten fehlt, in dem es Herz und Beharrlichkeit braucht, um die Geschenke darin zu entdecken.

Frisch auf dem Buchmarkt: April 2023

Unter den Neuerscheinungen finde ich in diesem Monat ein Buch interessant, in dem über den Ausfall des Internets nachgedacht wird; eines verschlägt uns an die Grenze des Südsudan und ein anderes nach Trinidad; in einem geht es um ein ungewöhnliches Paar; eines beschäftigt sich mit den Auswüchsen der DDR und ein Roman spannt den Bogen vom Zweiten Weltkrieg bis zum Tsunami in Japan in 2011.

Aber schaut selbst – vielleicht ist ja auch etwas für euch dabei:

03.04.2023: Error 404 – Der Ausfall des Internets und seine Folgen für die Welt von Esther Paniagua (Jetzt als TB): Die Frage lautet nicht, ob das Internet komplett ausfallen wird, sondern wann. Werden wir darauf vorbereitet sein? Oder wird die Welt ohne Internet im Chaos versinken? – Anfang Oktober 2021 fielen die Dienste von Facebook, Instagram und WhatsApp für einige Stunden aus. Die Panik, die gerade junge User daraufhin ergriff, sorgte allgemein für Erheiterung. Doch was bei einem kurzen Zeitraum noch lustig ist, wird ernst, wenn das komplette Internet betroffen ist, und nicht nur für ein paar Stunden. Wissenschaftler haben errechnet, dass uns etwa 8 bis 10 Tage bleiben würden, bis unsere Zivilisation ohne Internet völlig zum Erliegen kommen würde. Längst ist das Internet nicht mehr nur Partnerbörse und Zeitvertreib, sondern integraler Bestandteil unserer kritischen Infrastruktur. Ein potenzieller Ausfall wird längst ernsthaft diskutiert, sei es durch die Überlastung der Serverfarmen, einen Sonnensturm oder einen militärischen Anschlag. Die Technologie-Journalistin Esther Paniagua beleuchtet die Hintergründe dieses verdrängten Problems und zeigt, dass wir uns viel zu leichtsinnig vom Funktionieren des Internets abhängig gemacht haben.

03.04.2023: Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes von Matthias Politycki: Äthiopien 2020, am Vorabend des Krieges: Josef Trattner, Ausgrabungsleiter im Norden des Landes, verschlägt es an die Grenze zum Südsudan. In der winzigen Siedlung Surma Kibish begegnet er Natu, einer Frau mit abgerissenem Ohrläppchen – und einer Aura von Schönheit, Stärke und Gefahr, die ihn sogleich in ihren Bann zieht. Aber dann wird er Zeuge, wie Natu öffentlich mit Stockhieben gezüchtigt wird. Als sie am nächsten Tag plötzlich in seinem Wagen sitzt, wähnt er sich bereits auf der Flucht, mit ihr zusammen, in ein neues Leben. Doch unerbittlich bahnt sich ihrer beider Verhängnis an – das alte Leben fordert seine Rechte und setzt alles daran, Natu zurückzubringen an den Ort ihrer Niederlage.

11.04.2023: Schau mich an von Elif Shafak (Jetzt als TB): Eine übergewichtige Frau und ihr Geliebter, ein Kleinwüchsiger, werden von allem und jedem angestarrt. Doch während sich die Frau vor der Welt verstecken will, zieht der Mann die Aufmerksamkeit bewusst auf sich. Als er mit fast obsessivem Eifer anfängt, sein »Lexikon der Blicke« zusammenzustellen, und für seine Recherche manche Grenze überschreitet, wird ihre Liebe auf eine schwere Probe gestellt.

18.04.2023: Die frühen Jahre von Felix Stephan: Ein verstörend intimer Blick auf das Leben der Angepassten – Als die DDR zusammenbricht, versammelt sich die Familie des Erzählers eines Abends vor dem Ofen, um sämtliche Beweise über die Stasi-Tätigkeit ihrer Mitglieder zu verbrennen. Der einzige Sohn wächst in eine Welt hinein, die sich in Auflösung befindet und in der die Eltern schnell die Orientierung verlieren. Erst als der Großvater, die sozialistische Heldenfigur der Familie, allmählich dement wird, scheint ein Neuanfang denkbar. – Felix Stephan erzählt von einer Familie, die sich ein neues Leben aufbauen muss ohne sich auf das alte berufen zu können, und wirft einen Blick auf die inneren Verwüstungen der Angepassten und die Herausforderungen der Freiheit.

26.04.2023: Als wir Vögel waren von Ayanna Lloyd Banwo: Port Angeles, Trinidad. In den sonnendurchglühten Gassen mischt sich das vielstimmige Geschrei der Händler mit Vogelgezwitscher und Verkehrslärm; es riecht nach Gewürzen und reifen Früchten. Unter stillen, schattigen Bäumen ruht Fidelis, der jahrhundertealte Friedhof der Insel. Hier arbeitet Emmanuel als Totengräber. Der junge Rastafari hat sein Zuhause verlassen, um seinen Vater zu finden. Als er Yejide trifft, hat das Schicksal ihre Wege längst fest miteinander verflochten. Und so beginnt dort, wo das Leben endet, eine magische Liebesgeschichte.

27.04.2023: Geschichte für einen Augenblick von Ruth Ozeki (Jetzt als TB): Am Ufer der einsamen Insel, auf der die Schriftstellerin Ruth lebt, wird das Tagebuch der sechzehnjährigen Japanerin Nao angespült. Ruth beginnt zu lesen: von Naos Familie, die von Amerika zurück nach Japan musste, von Naos Schwierigkeiten, in der Schule Anschluss zu finden, von der Depression, die alle in der Familie erfasst, und von Naos Urgroßmutter Jiko, einer weisen Nonne, bei der Nao die Grundlagen des Zen-Buddhismus erlernt. Ruth taucht tiefer und tiefer in die Geschichte der Schülerin ein und beginnt sich zu fragen, wer Nao ist, was mit ihr geschah – und warum ihr Tagebuch ausgerechnet bei Ruth landete. – Ruth Ozekis Roman spannt den Bogen vom Zweiten Weltkrieg bis zum Tsunami in Japan in 2011, von der Schwere zur Leichtigkeit, vom amerikanischen Traum zum japanischen Zen-Buddhismus und erzählt dabei wie gewohnt von skurrilen Charakteren und mit einem Hauch magischem Realismus.

Frisch auf dem Buchmarkt: März 2023

Unter den Neuerscheinungen habe ich auch in diesem Monat einige interessante Bücher gefunden: Es geht um psychotische Erfahrungen, die bereichern konnten; um eine Reise, die zeigt, was das Leben unter totalitärer Herrschaft bedeutet; um ein besonderes Kind und das besondere Leben, das dies für alle in seiner Umgebung bedeutet; um eine Kindheit und Jugend im Bulgarien der 1970er Jahre; um die Frage ob Canceln als ein notwendiger Schritt anzusehen ist oder ob es sich dabei schon um Zensur handelt und um Problematiken, mit denen Frauen in Simbabwe zu kämpfen haben.

Aber schaut selbst – vielleicht ist ja auch etwas Lesenswertes für euch dabei:

06.03.2023: Auf der Spur des Morgensterns: Psychose als Selbstfindung von Dorothea Buck: Der Sinn der Psychose Dieses 1990 erstmals erschienene Buch kritisiert eine gesprächslose, defizitorientierte Psychiatrie, und gibt den psychiatrie-erfahrenen Menschen eine Stimme. Dorothea Bucks Erfahrungsbericht ist noch heute ein ermutigendes Beispiel dafür, dass eine Psychose heilbar sein kann, wenn ihr Sinn verstanden und sie in das Leben integriert wird. »Meine psychotischen Erfahrungen haben mein Leben sehr bereichert. Der Schock aber, wegen dieser Erkrankung bekämpft, entwertet und zwangssterilisiert zu werden, war einschneidend und wirkt bis heute nach.« Die heute noch gültige Kritik an der Sprachlosigkeit der Psychiatrie und die fast ein Jahrhundert umfassende Darstellung von Behandlungserfahrungen machen das Buch zu einer faszinierenden Lektüre.

30.03.2023: Alles was Sie sehen ist neu von Annette Pehnt: Sie kannten die Plätze, Kaiser und Pagoden aus den Nachrichten. Aber sie wollten alles sehen, hören und schmecken. Deshalb stehen sie nach einem langen Flug in Kirthan, vor ihnen der Reiseleiter, der Welterklärer. Er heißt Nime, ein junger Mann mit einer Stimme wie ein Märchenerzähler. Er wird ihnen den Tempel der ewigen Freundlichkeit zeigen, die schnurgeraden Prachtstraßen und das asiatische Essen. Doch plötzlich ist Nime nicht mehr da. Und es stellt sich die Frage nach seinem Verschwinden und der Wahrheit hinter dem, was ihre Blicke erfassen. – »Alles was Sie sehen ist neu« kommt im Gewand des romantischen Reiseromans daher und zeigt die Begegnung mit dem Leben unter totalitärer Herrschaft, wie es westliche Reisende nicht erwarten.

30.03.2023: Brüderchen von Clara Dupont-Monod: Eines Tages kommt in einer Familie ein Kind zur Welt. Seine schwarzen Augen tanzen, verlieren sich im Ungefähren, ein verletzliches Wesen, das nie laufen lernen wird. Alle Liebe, alle Zeit gilt von nun an diesem ewigen Kind. Wie leben die Geschwister in seinem Schatten? Clara Dupont-Monod erzählt von einer Familie, die selbst im Schmerz noch Zuneigung und Frieden findet, Verbundenheit und Zuversicht. »Brüderchen« ist ein Roman voll existenzieller Kraft und karger Schönheit, so majestätisch wie die Berge der Cevennen, die diese Familie schützend umgeben.

30.03.2023: Samuels Buch: Ein autobiografischer Roman von Samuel Finzi: Bulgarien in den 1970er-Jahren. Mitten im Sozialismus führen die Finzis das Leben der Bohème: Da ist der elegante Großvater, der seine Hüte noch aus den Zeiten des Zaren retten konnte. Die zähe Großmutter Mathilda, die die stalinistische Psychiatrie samt Elektroschocks und Eiswasser überlebte. Die Mutter, die es versteht, aus einer Scheibe Parmaschinken die ganze Leichtigkeit des Dolce Vita zu ziehen. Und der Vater, der seinem Sohn auf einer Reise in den Westen das Tor zur Freiheit aufstößt: Diese bunte, vielgestaltige Welt erkundet der junge Samuel und ahnt schon bald, dass das Glück jenseits der engen Grenzen der Heimat wartet. In treffsicheren Anekdoten, mit furiosem Witz und großer Wärme erzählt Samuel Finzi vom Paradies der Kindheit und der Revolte der Jugend, verwebt Vergangenes und Gegenwärtiges und schreibt ganz nebenbei über das gelingende Leben im falschen System.

20.03.2023: Canceln: Ein notwendiger Streit mit Beiträgen von Asal Dardan, Adrian Daub, Hanna Engelmeier, Jürgen Kaube, Konrad Paul Liessmann, Ijoma Mangold, Lothar Müller, Mithu Sanyal, Marie Schmidt, Johannes Schneider, Anna-Lena Scholz und Daniela Strigl: Kein vernünftiger Mensch will Literatur verbieten – oder etwa doch? Die Diskussionen werden hitziger. Wie gehen wir mit rassistischen Stereotypen in literarischen Klassikern um? Wollen wir ein Buch noch weiterlesen, wenn gegen dessen Autor:in schwere moralische Vorwürfe erhoben werden? Droht tatsächlich eine neue Zensur, wie manche befürchten? Für die einen ist das „Canceln“ ein notwendiger Schritt im Kampf gegen Diskriminierung, für die anderen ein Schreckgespenst, das die Freiheit der Kunst bedroht. Klar ist: Die Debatte berührt nicht nur einen Kern der Literatur, sondern auch unseres Zusammenlebens. Sie ist ein notwendiger Streit – dem die Autor:innen dieses Bands klug, pointiert und aus verschiedenen Perspektiven auf den Grund gehen.

29.03.2023: Überleben von Tsitsi Dangarembga: In ihrem spannenden und psychologisch aufgeladenen Roman “Überleben” erzählt die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga in leuchtenden Bildern und mit großer Nähe vom langen Weg zur Emanzipation. Dabei beschreibt sie, inwiefern »race«, Geschlecht, Gesellschaftsschicht und Alter Auswirkungen auf das alltägliche Leben in Simbabwe haben und wie determinierend diese Umstände insbesondere für Frauen sind. So hat ihre Heldin Tambudzai alles, was sich eine Schwarze Frau in Simbabwe wünschen kann: Bildung, Diplome, einen Job, dennoch schafft sie es nicht, das Leben zu verwirklichen, welches sie sich ausgemalt hat. Denn sie lebt in einem Land, das sich nicht aus den Fesseln des Kolonialismus lösen kann. Die neue Freiheit schließt Frauen aus. In der Werbeagentur werden ihr die Ideen geklaut, auf jeden ihrer Schritte folgt eine Demütigung. Sie kündigt, findet aber keinen Halt in sich, erst recht nicht als Reiseleiterin für deutsche Öko-Touristen, denen sie ihr Dorf zeigt. 

Das Abenteuer der Manuskripte: Alice im Wunderland

Die faszinierende Welt von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ hat Generationen von Lesern begeistert und inspiriert. Doch wie entstand diese wundersame Geschichte eigentlich? Eine Dokumentation gibt uns Einblick in die Entstehungsgeschichte des berühmten Werks und zeigt uns die einzigartige Persönlichkeit hinter dem Pseudonym Lewis Carroll.

-> So kam es zu „Alice im Wunderland“ (ARTE-Doku als YouTube-Video verfügbar bis zum 16/02/2025)

Viel Spaß beim Anschauen!

Frisch auf dem Buchmarkt: Februar 2023

Auch wenn ich momentan noch begeistert eine Fantasy-Trilogie lese, hat es mich nicht daran gehindert, mal wieder einen Bummel durch die Neuerscheinungen der Verlage zu machen.

Und ich habe dabei einige Bücher gefunden, die mein Interesse wecken konnten: Es geht um den Genozid, den China an den Uiguren verübt; um eine Nigerianerin, die für ihre Bildung und Freiheit kämpft; um unser psychologisches Erbe, das verstanden und überwunden werden will; um den Drang nach Freiheit und der Sehnsucht nach Zugehörigkeit; um drei junge Menschen während der letzten Jahre im neostalinistischen Rumänien und um einen Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit.

Aber schaut selbst – vielleicht ist ja auch für euch etwas dabei:

24.02.2023: Der Duft von Steinen von Gulchehra Hoja:

Im Februar 2018 verschwanden Dutzende Angehörige der Journalistin Gulchehra Hoja. Sie wurden ihretwegen verhaftet, denn Hoja hatte es gewagt, über die Not des uigurischen Volkes zu berichten. Die talentierte Tänzerin, Schauspielerin und Geschichtenerzählerin wurde zum Star des chinesischen Staatsfernsehens – bis sie den Genozid erkannte, den China an den Uiguren verübt. Sie floh in die USA und kämpfte dort um mehr Öffentlichkeit für ihr Volk. „Der Duft der Steine“ enthüllt die Schönheit Ostturkestans und seines Volkes und zeigt eine Frau, die bereit war, nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Familie zu riskieren, um der Welt die Geschichte ihres Volkes zu erzählen.

14.02.2023: Second-Class Citizen von Buchi Emecheta:

Dies ist die Geschichte von Buchi Emechetas Alter Ego Adah: ein überaus begabtes Mädchen, das in einfachen Verhältnissen in Nigeria aufwächst und mehr will, viel mehr. Sie kämpft für ihre Bildung und Freiheit, geht schließlich mit ihrem Mann nach London. Es ist Adah, die die Familie ernährt und die fünf Kinder großzieht. Es ist Adah, die sich der Zumutungen und Gewalt durch ihren Mann erwehren muss. Als der ihr erstes Manuskript verbrennt, zieht sie aus und versucht fortan, die Kinder allein durchzubringen. Sie blickt den Anstrengungen zuversichtlich entgegen, denn sie weiß: Sie wird Schriftstellerin werden. Man kann nicht anders, als Buchi Emechetas Leben so sehr zu bewundern wie ihr vielfach ausgezeichnetes Werk, das in Deutschland bislang beinahe unentdeckt geblieben ist.

„Buchi Emecheta ist die Urmutter der Schwarzen feministischen Literatur.“ (Bernardine Evaristo)

„Ein eindringliches Zeugnis des Kampfes einer nigerianischen Frau, die sich bemüht, im England der 1960er Jahre ein Leben aufzubauen – und des Preises, den sie gezwungen wird, dafür zu zahlen. Marion Krafts erstklassige Übersetzung ist ein Meilenstein.“ (Sharon Dodua Otoo)

„Ich habe jedes Buch von Buchi Emecheta voller Bewunderung gelesen.“ (Chimamanda Ngozi Adichie)

01.02.2023: Emotionales Erbe – Eine Therapeutin, ihre Fälle und die Überwindung familiärer Traumata von Galit Atlas:

Die Erfahrungen der Menschen, die uns großgezogen haben, formen unser Leben auf eine Weise, die wir nicht immer erkennen. In diesem bahnbrechenden Buch geht es um unser emotionales Erbe, das tiefenpsychologisch wie epigenetisch auf uns wirkt. Ob das die unbeirrbare Resilienz unserer Großmutter ist oder ein dunkles Familiengeheimnis, das uns daran hindert, unser volles Potenzial auszuschöpfen: Unser emotionales Erbe erzeugt Muster; Galit Atlas zeigt anhand von vielen Fallbeispielen, wie man sie erkennt – und auflöst.

„Dr. Atlas erklärt mit einfachen Worten, wie wir unser psychologisches Erbe verstehen und überwinden können.“ (Juliet Rosenfeld)

14.02.2023: Zuhause ist ein großes Wort von Nina Polak:

Sieben Jahre hat Skip auf See verbracht. Jetzt kommt sie zurück nach Amsterdam, wo sie nicht nur auf eine vom Zeitgeist veränderte Stadt trifft, sondern auch auf die Geister der Vergangenheit: den tristen Wohnblock, in dem sie aufwuchs, die wohlhabende Familie Zeno, die sie nun wie schon einmal bei sich aufnimmt, und ihren Ex Borg, Soziologiedozent mit unwiderstehlichen Händen, der inzwischen verlobt ist, aber trotzdem wieder etwas mit ihr anfängt. Skip, scharfsinnige und selbstironische Beobachterin, will sich in keine Rolle fügen, doch immer mehr rückt ihr das alte Leben mit neuen Fragen auf die Pelle. Hin- und hergerissen zwischen dem Drang nach Freiheit und der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, steht sie vor der Entscheidung, die wir alle irgendwann treffen müssen: weiterziehen oder bleiben?

01.02.2023: Die goldene Höhle von Catalin Partenie:

Die Goldene Höhle erzählt die ans Herzen gehende Geschichte von drei jungen Menschen – zwei besten Freunden und ihrer gemeinsamen Freundin – während der letzten Jahre im neostalinistischen Rumänien

Rumänien unter der Diktatur: Paul, Fane und Oksana träumen von Freiheit und Glück in einer Welt voller Nöte und Verbote. Der Philosophiestudent Paul ist ein begnadeter Schlagzeuger. Fane bewundert ihn, kauft sich eine elektrische Gitarre und ein altes Radio, das er als Verstärker benutzt. Er übt, bis sie zusammen in einem Theaterdepot zwischen Kostümen und Requisiten spielen können. 

Oksana arbeitet als Kellnerin. Sie bringt den Jungs zu essen: Eier, Schnitzel, manchmal Kuchen, den ihre Großmutter gebacken hat. Sie hängt einen Teppich mit einer Landschaft an die Wand und tauft das Depot „Goldene Höhle“, es ist ihr Versteck, ein Schutz vor der kalten kommunistischen Nacht. Bis zu dem Tag, an dem Paul verschwindet.

22.02.2023: Kremulator von Sasha Filipenko:

Pjotr Nesterenko ist mit dem Tod auf vertrautem Fuß. Als Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit hat er sie alle eingeäschert: die Abweichler, die angeblichen Spione und die einstigen Revolutionshelden, die den Säuberungen zum Opfer fallen. Er jedoch, davon ist er überzeugt, kann gar nicht sterben. So oft ist er dem Tod schon knapp entronnen. Bis der Tag seiner eigenen Verhaftung kommt. Wird er auch diesmal den Hals aus der Schlinge ziehen?