Eine Frage der Chemie – Bonnie Garmus

Da ich bereits so viel Gutes über diesen Roman mitbekommen hatte, wurde ich neugierig und entschied mich für die von Luise Helm hervorragend eingesprochene Hörbuchversion. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte, denn die Geschichte konnte mich dank kantiger aber liebenswerter Charaktere gleich packen und ließ mich bis zum Ende nicht mehr los.

Die hochbegabte Chemikerin Elizabeth Zott hat Schwierigkeiten, in den späten 1950er Jahren in Kalifornien beruflich in der chemischen Forschung Fuß zu fassen. Für kurze Zeit findet sie jedoch zumindest ein privates Glück in ihrer Beziehung zu einem brillianten Chemiker, der am selben Forschungsinstitut arbeitet. Doch um unabhängig zu bleiben, ist sie nicht bereit, ihn zu heiraten. Nachdem er verunglückt ist, entdeckt sie, dass sie schwanger ist und verliert ihren Laborjob. Eher zufällig wird die alleinerziehende Chemikerin 1961 für das Fernsehen entdeckt. Ihre spezielle Art schmackhafte Kochrezepte wissenschaftlich zu erklären und mit gesellschaftlichen Themen zu würzen, macht sie zum Fernsehstar.

Es ist unterhaltsam die Kochzutaten in chemischen Bestandteile zerlegt zu erfahren und auch die Art und Weise, in der die Protagonistin Kaffee zubereitet, stelle ich mir als sehenswert vor. Spaß macht auch, über das Denken und Handeln von Elizabeth Zotts Hund zu erfahren, einem besonders klugen, aber trotz allem nicht zu vermenschlichten Tier, das einem in seiner Kuriosität ebenso ans Herz wächst, wie die Protagonistin, die mit ihrer Ehrlichkeit besticht, der aber jegliche Diplomatie zu fehlen scheint.

Der Roman erzählt zwar eine fiktive Geschichte, doch sie erweckt den Eindruck, dass sie sich vor rund 60 Jahren genau so zugetragen haben könnte, als es zwar bereits das Gleichberechtigungsgesetz gab, die Gleichberechtigung der Frau jedoch noch auf einem ganz anderen Stand als heute war. So macht wütend, was der Protagonistin an Unverschämtheiten, Ungerechtigkeiten und sogar Verbrechen widerfährt, aber es macht auch dankbar für das, was starke Frauen im realen Leben seitdem erkämpft und erreicht haben.

Der Autorin ist mit „Eine Frage der Chemie“ ein Debütroman mit einer guten Mischung an Unterhaltung und Nachdenklichem gelungen. Unbedingt lesens-, beziehungsweise hörenswert!

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Bonnie Garmus
Eine Frage der Chemie
Original: Lessons in Chemistry
Übersetzer: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Gesprochen von: Luise Helm
Spieldauer: 13 Std. und 48 Min.
Ungekürztes Hörbuch
Erscheinungsdatum: 31.03.2022
Sprache: Deutsch
Anbieter: HörbuchHamburg HHV GmbH

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Und über mir das Meer – Mary Lynn Bracht

Mary Lynn Bracht erzählt in „Und über mir das Meer“ die Geschichte der 16jährigen Hana, die sich im Korea von 1943 von japanischen Soldaten aufgreifen lässt, damit ihre jüngere Schwester von diesen nicht entdeckt wird. Doch das bedeutet für Hana, dass sie nun in der Gewalt von japanischen Soldaten aus ihrem Heimatdorf entführt und in ein Bordell des Militärs gebracht wird. Der Roman erzählt berührend und schockierend über die Grausamkeit, die ihr dort widerfährt, zeigt aber auch im Südkorea 2011, wie Hanas jüngere Schwester die tausendste Mittwochsdemonstration besucht, um darauf aufmerksam zu machen, dass die japanische Armee im Zweiten Weltkrieg Frauen gegen ihren Willen gezwungen hat, als „Trostfrauen“ zu arbeiten.

Abwechselnd wird hier die Geschichte der beiden Schwestern erzählt, die zwar getrennt von einander zurecht kommen müssen, aber deren Leben doch untrennbar miteinander verknüpft sind. Manche Wendungen fühlen sich für mein Empfinden zu gewollt und konstruiert an und auch die Charakterentwicklung eines männlichen Protagonisten ist für mich nicht so recht nachvollziehbar, aber dennoch mochte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Stattdessen blätterte ich, nachdem ich gut die Hälfte dieses Romans gelesen hatte, zur „Anmerkung der Autorin“ und der Auflistung der „Wichtigen Daten“, die am Ende zu finden sind. Hier erfuhr ich, dass einige Historiker der Ansicht sind, dass fünfzig- bis zweihunderttausend koreanische Frauen und Mädchen vom japanischen Militär verschleppt, getäuscht oder verkauft wurden, um während der japanischen Kolonisierung Koreas als Zwangsprostituierte zu dienen. Bei Wikipedia fand ich zu dem Begriff „Trostfrauen“ weitere Informationen und war wieder einmal schockiert über die Ausmaße möglicher Unmenschlichkeiten.

Mit diesen Hintergrundinformationen liest sich das Buch anders und es ekelte mich davor, dass in diesem fiktiven Roman vieles zu lesen ist, was vielleicht doch auch genau so oder so ähnlich passiert sein könnte. Sicherlich ein ebenso wichtiges wie erschreckendes Thema. Das führt letztlich dazu, dass ich diesen von einer wahren Geschichte inspirierten Debüt-Roman der Autorin, trotz seiner Ecken und Kanten empfehlen kann, wenn man bereit ist, sich mit dieser dunklen Seite der japanisch/koreanischen Geschichte auseinander zu setzen.

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Mary Lynn Bracht
Und über mir das Meer
Original: White Chrysanthemum
Deutsch von Elke Link
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten
ISBN: 978-3809026815
Preis: 20,00 € [D]
Verlag: Limes Verlag
Erschienen: 24. September 2018

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Wandering Souls – Cecile Pin

Als ich im Mai Der Gesang der Berge von Nguyễn Phan Quế Mai las, musste ich – auch wenn es um sie in dem Roman nicht ging – oft an die Boatpeople denken, die mir aus meiner Kindheit noch von Fernsehberichten unauslöschlich in Erinnerung geblieben sind. Die in dem Buch geschilderten Schrecken und politischen Entgleisungen, denen die Bevölkerung ausgesetzt war, machten die Flucht der rund 1,6 Millionen Vietnamesen nachvollziehbar, die in den 1970er und 1980er Jahren über das südchinesische Meer ins Ausland zu gelangen versuchten.

An diesem Punkt setzt „Wandering Souls“ von Cecile Pin an. Es handelt sich dabei um ihren ersten Roman, der in Teilen auf ihrer eigenen Familiengeschichte basiert. Sie erzählt darin die Geschichte von drei Geschwistern, die nach Ende des Vietnam-Krieges Ende der Siebzigerjahre mit ihrer Familie fliehen und in einem Lager in Hongkong stranden, wo sie vergeblich auf ihre Eltern und die anderen Geschwister warten. Plötzlich ist die sechzehnjährige Anh für ihre beiden jüngeren Brüder verantwortlich und muss sich mit ihnen nicht nur in einem fremden Land zurecht finden, sondern auch noch die Rolle einer Erwachsenen übernehmen.

Cecile Pin schildert anschaulich die Sorgen und Nöte, in die ihre Protagonisten geraten und doch kommt man ihnen in diesem Roman nicht wirklich nah. Denn die Geschichte der drei Geschwister wird in nicht immer linearen Zeitsprüngen erzählt und dabei immer wieder von anderen Texten unterbrochen, die mich anfangs ein wenig verwirrten. Gelegentlich meldet sich der Geist von Dao, dem kleinen toten Bruder, zu Wort; es gibt einen Zeitungsbericht über Vietnamesische Flüchtlinge, die von einer thailändischen Insel gerettet wurden; außerdem findet man den Brief der Premierministerin Margaret Thatcher an die Familie Nguyen, aber es gibt auch Akten der Downing Street, die Thatchers Abneigung gegen die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge dokumentieren. Daneben kommt die Autorin gelegentlich selbst zu Wort. Ein Lesefluss will hierbei nicht so recht entstehen und manchmal ist es auch ein wenig sperrig, den Anschluss an die eigentlich erzählte Geschichte zu finden.

Und doch schafft es die Autorin, dass dieser fragmentierte Roman allmählich zusammenwächst und neugierig macht. Wissenslücken wollen außerhalb des Buches (Glossar vorhanden) geschlossen werden und regen zum Weiterforschen und staunen an. Chancen und Risiken der Flucht werden erkennbar. Gefühlswelten der geflüchteten Geschwister im fremden Land (England) werden nachvollziehbar und regen zum Weiterdenken an. Eigentlich genau das, was ein gutes Buch ausmacht und sicherlich ein insgesamt gelungener Debüt-Roman. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Autorin weiter entwickelt.

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Wandering Souls
Cecile Pin
Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten
ISBN: 978-3455015706
Preis: 23,00 € [D]
Verlag: Atlantik Verlag
Erschienen: 04. Mai 2023

Das eBook wurde mir freundlicherweise vom Verlag für Rezensionszwecke zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanke.

Das achte Leben (Für Brilka) – Nino Haratischwili

Lange Zeit stand dieser Roman auf der Liste der Bücher, die ich unbedingt noch lesen wollte. Aber es ist auch mit über 1.200 Seiten ein echter Wälzer, von dem ich mir nicht sicher war, ob mich die darin erzählte Familiengeschichte wirklich über so viele Seiten hinweg packen würde. Als jedoch die Corona-Zeit anbrach und ich ein Geburtstagsgeschenk für einen lesebegeisterten Menschen suchte, der von sich behauptete gerne Familiengeschichten zu lesen, fiel mir wieder dieses Buch ein, von dem ich schon so viel Gutes hörte und von dem ich mir erhoffte, dass es diesen Menschen von der Isolationszeit ablenken und unterhaltsame Lesestunden schenken könnte. Leider war es für diesen Menschen nicht das passende Buch und so landete es schließlich halb gelesen wieder bei mir, um noch einige Zeit in meinem Bücherregal Staub anzusetzen.

In diesem Jahr nahm ich jedoch wieder „Das achte Leben (Für Brilka)“ von Nino Haratischwili zur Hand und es schien tatsächlich endlich der richtige Zeitpunkt für mich und diesen Roman gekommen zu sein. Es dauerte nicht lange und ich las, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot und genoss es, mich mit den Figuren auf eine etwa einhundertjährige Zeitreise durch die Geschichte der Sowjetunion und Russlands zu begeben und natürlich Georgiens (BUCHweltreise), in dem die Familie beheimatet ist, um die es in diesem Buch geht. Dabei werden einzelne Personen näher beleuchtet und es liegt wohl in der Natur der Sache, dass einem der eine Charakter mehr liegt, als der andere und dass gewisse Zeitabschnitte interessanter sind als andere. Aber dennoch hat mich das Buch nie ganz verloren und ich wollte immer wissen wie es weiter geht und was es mit der Ich-Erzählerin und dieser ominösen Brilka, die schon früh im Buch Erwähnung findet, eigentlich auf sich hat. Bis man das letztlich erfährt, liest man sich durch einen Roman, in dem es manchmal ein wenig märchenhaft, aber auch grausam und brutal zugeht. Dazwischen erfährt man Geschichtliches, was in diesem Roman für eine besondere Mischung sorgt und einen anhand der großen Ereignisse in der Weltgeschichte allmählich in die Gegenwart führt.

Über die Handlung mag ich nicht viel mehr verraten, als das es sich bei diesem Roman um keine der Schöne-Heile-Welt-Familiengeschichten handelt, sondern dass man es hier mit tragischen Schicksalen und Wendungen zu tun bekommt, die nicht immer leicht zu verdauen sind. Aber die Autorin versteht sich auch darin, neben plastischen und lebendigen Charakteren Sätze zu erschaffen, die gefallen und einen innehalten lassen. So wurde dieser Roman für mich zu einem der Bücher, das ich mit Bedauern beendet habe und das ich am liebsten gleich nochmal von vorn begonnen hätte. Für mich ein echtes Highlight und sicherlich nicht das letzte Buch, das ich von Nino Haratischwili gelesen habe!

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Das achte Leben (Für Brilka)
Nino Haratischwili
Taschenbuch, 1.280 Seiten
ISBN: 978-3548289274
Preis: 19,99 € [D]
Verlag: Ullstein
Erschienen: 1. September 2014

Der Gesang der Berge – Nguyễn Phan Quế Mai

Im Rahmen meiner BUCHweltreise ging es kürzlich nach Vietnam – um genauer zu sein in die frühen 1970er Jahre in Hanoi, wo Hu’o’ng bei ihrer Großmutter lebt, weil ihr Vater auf den Schlachtfeldern des Vietnam-Krieges verschollen ist und ihre Mutter seinen Spuren in der Hoffnung folgt, ihn zu finden. An den vielen langen Abenden erzählt die Großmutter Hu’o’ng die Geschichte ihrer Familie – die in Frieden und Wohlstand ihren Anfang nimmt, aber im Zuge fremder Besatzung, Landreform und Krieg eine Geschichte von Vertreibung, Flucht und unsäglichem Leid wurde.

Die 1973 geborene Autorin hat mit diesem Buch einen Roman geschrieben, in dem die historischen Ereignisse der Wahrheit entsprechen, die Namen und Figuren sowie die Handlung jedoch frei erfunden sind, wie sie eingangs betont. Aber man spürt beim Lesen auch ganz deutlich, dass sie von den Erlebnissen ihrer eigenen Familie und den Erzählungen anderer Vietnamesen inspiriert wurde, die ihr ihre persönliche Geschichte erzählt haben. So liest man in teilweise lyrisch sanfter Sprache von brutaler Gewalt, von der man sich wünscht, dass sie der Phantasie der Autorin entsprungen sein möge, dabei jedoch immer auch den Verdacht hat, dass sich manches genau so zugetragen haben könnte.

Der größte Teil des Romans spielt während der letzten Jahre des Vietnam-Krieges in Hanoi und wird von der Enkelin weiter erzählt, um irgendwann in der heutigen Zeit zu enden. Zwischendurch springt die Autorin in der Familiengeschichte zurück und lässt die Großmutter bis in die 1920er Jahre zurückblicken. Und so liest man von den beiden Ich-Erzählerinnen nicht nur über eine tragische, aber niemals hoffnungslose Familiengeschichte und die unterschiedlichen Entwicklungswege innerhalb der Familie, sondern erfährt dabei auch sehr viel über die Lebensumstände und die Geschichte Vietnams. Das ganze ist zu einer facettenreichen beeindruckenden Geschichte verwoben, die nicht immer leicht zu verkraften ist, die mich jedoch schnell in ihren Bann zog und nicht mehr los ließ. Ein echtes Highlight!

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Und wie das bei Highlight-Büchern manchmal so ist, wirken sie bei mir nach und erwecken den Wunsch noch ein wenig mehr erfahren zu wollen. Deshalb schaute ich mir nach Beenden des Buches noch die vierteilige Spiegel-TV-Dokumentation von 2013 an: „Vietnam: Ein Krieg ohne Fronten“ ( Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4 ) wo der Vietnam-Krieg aus meist amerikanischer Sicht betrachtet wird. Auch interessant.

Der Gesang der Berge
Nguyễn Phan Quế Mai
Taschenbuch, 429 Seiten
ISBN: 978-3458682608
Preis: 12,00 € [D]
Verlag: Insel Verlag
Erschienen: 13. Februar 2023 (2. Edition)


Töchter – Lucy Fricke

Eigentlich freute ich mich, als ich „Töchter“ von Lucy Fricke als Hörbuch bei Spotify entdeckte. Über den Roman über die beiden Frauen, die zu einer Reise in die Schweiz, mit einem todkranken Vater auf der Rückbank aufbrechen, hatte ich bereits viel Gutes gehört und auch die Sprecherin Sabine Arnhold hat mir gefallen. Eine letzte, finale Fahrt soll es werden, doch nichts endet, wie man es sich vorgestellt hat, schon gar nicht das Leben. Martha und Betty kennen sich seit zwanzig Jahren und sie entscheiden sich fürs Durchbrettern. Vor sich haben sie das Ziel, von hinten drängt das nahende Unglück.

Das klang für mich nach einer interessanten Story und doch standen die Sterne für mich und dieses Hörbuch schlecht, was jedoch an meinen eigenen Unzulänglichkeiten lag. Zwischen den einzelnen Höreinheiten habe ich leider zu viel Zeit vergehen lassen, so dass ich den Eindruck hatte, dass ich zwischenzeitlich doch zu viel vergessen hatte, um immer wieder nahtlos in die Geschichte einsteigen zu können. Hinzu kam noch, dass ich dieses Hörbuch zu einer Zeit gehört habe, in der ich mich schlecht konzentrieren konnte. Das sind sicherlich nicht die besten Voraussetzungen zum Hörbuch hören, aber ich weiß aus meiner Erfahrung, dass es nach anfänglichen Schwierigkeiten dann manchmal doch noch klappt. Dieses Mal leider nicht, auch wenn mir das, was ich von der Geschichte mitbekam, doch gefallen hat.

Natürlich hätte ich jederzeit an den Anfang des Hörbuchs zurückspringen und nochmal von vorn anfangen können, aber das habe ich eben nicht gemacht. Der Mut zur Lücke hat sich jedoch in diesem Fall nicht ausgezahlt, denn mit dem Beenden blieb bei mir einfach nur das Gefühl zurück, etwas verpasst zu haben. Dabei geht es noch nicht einmal so sehr um Einzelheiten der Geschichte, sondern vielmehr habe ich mich um den Genuss gebracht in die Geschichte und in die Charaktere eintauchen zu können. Jetzt weiß ich zwar wohin die Reise des Buches im Großen und Ganzen geht, aber mir fehlen die feinen Nuancen von denen der Roman sicherlich einiges für mich zu bieten gehabt hätte, wie man den Rezensionen vom Buchrevier und Kaffeehaussitzer entnehmen kann. Wenn ihr mehr über das Buch erfahren möchtet, schaut ihr also besser bei diesen beiden Rezensenten vorbei.

Das 2019 erschienene Buch wurde übrigens 2021 mit Birgit Minichmayr, Alexandria Maria Lara und Josef Bierbichler verfilmt und ist derzeit zwar käuflich, jedoch nicht bei den Streaming-Anbietern erhältlich. Sollte letzteres irgendwann der Fall sein, werde ich mir den Film anschauen. Ansonsten würde ich es doch eher noch einmal mit dem Buch versuchen – Hörbücher funktionieren bei mir grad leider nicht so gut.

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Töchter
Von: Lucy Fricke
Gesprochen von: Sabina Arnhold
Spieldauer: 6 Std. und 34 Min.
Ungekürztes Hörbuch
Erscheinungsdatum: 09.01.2019
Sprache: Deutsch
Anbieter: Audio-To-Go Publishing Ltd.

Der Distelfink – Donna Tartt

Seitdem ich „Die geheime Geschichte“ von Donna Tartt gelesen habe, bin ich von der Schreibkunst der Autorin begeistert. Sie nimmt sich nicht nur Zeit für ihre Bücher – 1992 erschien „Die geheime Geschichte“, 10 Jahre später „Der kleine Freund“ und nach weiteren 10 Jahren „Der Distelfink“. Sondern sie lässt sich auch beim erzählen ihrer Geschichten Zeit und sorgt so dafür, dass man richtig in die Romane eintauchen kann. So auch beim 2014 erstmals in deutscher Sprache erschienen Roman „Der Distelfink“, der in dem Jahr auch mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.

Irgendwann hatte ich mir das rund 1022 Seiten starke Hardcover gebraucht und in einwandfreiem Zustand gekauft (lasst euch nicht vom Buchcover täuschen) und dann stand es erstmal im Regal. Nicht, dass ich dicke Bücher nicht mag, aber man muss auch in der Laune sein, sich über eine längere Zeit hinweg mit nur einem Buch zu beschäftigen. Und dazu war ich erstaunlicherweise in diesem Jahr bereit – inmitten meiner Leseflaute, vor allem auch weil ich mir von der Autorin einiges versprach. Da ich bei Audible mehrere Hörbuchguthaben angesammelt hatte, entschied ich mich dazu, Teile außerdem in der ungekürzten Hörbuchversion anzuhören und fand schließlich große Freude daran, in dem dicken Wälzer zu lesen und mir gleichzeitig dabei von Matthias Koeberlin die Geschichte vorlesen zu lassen. Eine wunderbare Erfahrung, wenngleich sie sich auch ein wenig verrückt anfühlte. Ganz allmählich genoss ich es wieder mehr zu lesen, zumal sich diese Lesezeit zu etwas ganz besonderem entwickelt hatte und ich dabei immer tiefer in Welt von Theo eintauchte und ihn durch sein Leben begleitete.

Als 13jähriger besucht Theo mit seiner Mutter das New Yorker Metropolitan Museum, auf das während des Besuchs ein Terroranschlag verübt wird. Theo gelingt es aus den Trümmern herauszukommen, doch seine Mutter schafft es nicht. Er versinkt in tiefe Trauer, die ihn lange nicht los lässt. Zunächst kommt Theo bei der sehr reichen Familie eines Schulfreundes unter, bis sein Vater gefunden wird und er bei ihm und dessen Freundin wohnen kann. Immer im Gepäck hat Theo den Distelfink, ein Gemälde, das er im Chaos des Attentats aus dem Museum seinerzeit einfach mitgenommen hat und das auch auf sein Leben als Erwachsener einen großen Einfluss hat.

Der Distelfink ist ein großartiger Entwicklungsroman in dem es um Trauer, Verlust, Verwahrlosung und Drogenprobleme, aber auch um Freundschaft und kriminelle Verstrickungen geht. Donna Tartt lässt sich viel Zeit beim Erzählen dieser Geschichte und zeichnet dabei Figuren, die man sich beim Lesen lebhaft vorstellen kann. Der Roman schreitet langsam voran und lässt doch keine Langeweile aufkommen. Es gibt einen Kriminalplot, bei dem es etwas rasanter vorwärts geht und der schließlich zu einem überraschenden Ende führt.

Insgesamt ein gelungener Roman, der mich auch auf den 2019 erschienen Film (Trailer 1 und Trailer 2) neugierig machte, den man sich derzeit als Amazon Prime-Kunde ohne Zusatzkosten anschauen kann. Ich mochte den Film, auch wenn er mich nicht in gleichem Maße wie das Buch packen konnte. Das kann jedoch auch daran liegen, dass mir die Geschichte noch zu gut in Erinnerung war und ich beim Anschauen des Films immer verglichen habe, ob die Umsetzung gelungen ist, die Schauspieler gut ausgewählt sind und ob mir manches im Film doch zu kurz behandelt wird. Das nimmt mir etwas das Filmvergnügen und so komme ich natürlich zu dem typischen Schluss eines lesebegeisterten Menschen: Der Film war gut, aber das Buch war besser!

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Donna Tartt
Der Distelfink
Original: The Goldfinch
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt und Kristian Lutze
Gebundene Ausgabe, 1024 Seiten
ISBN: 978-3442312399
Preis: 24,99 € [D]
Verlag: Goldmann
Erschienen: 01. Januar 2014

Der Lavendelgarten – Lucinda Riley

Um dieses Buch bin ich lange herumgeschlichen und habe mich doch nicht rangetraut. Denn die Buchcover finde ich ansprechend gestaltet, doch sie kennzeichnen auch ein Buchgenre, von dem ich befürchtete, dass ich mich darin nicht mehr wohlfühlen würde.

Und doch war da immer bei mir eine gewisse Neugier. „Der Lavendelgarten“ war mir als Einstieg in die Bücher von Lucinda Riley von jemandem empfohlen worden, der es sogar als Lieblingsbuch anpries. So blieb mir das Buch im Gedächtnis, auch wenn mich eigentlich die Sieben-Schwestern-Reihe der Autorin viel mehr interessierte, weil jedes dieser Bücher in einem anderen Land spielt.

Als wir unseren Sommerurlaub im Spessart verbrachten, war ich noch mitten in meiner Leseflaute, als uns das Geocachen zu einem Bücherschrank führte, in dem nicht nur das Logbuch versteckt war, sondern wo ich auch auf viele Bücher von Lucinda Riley stieß. Hier hatte wohl jemand seine Sammlung aufgelöst und dem Bücherschrank zur Verfügung gestellt. Für mich eine günstige Gelegenheit es einmal mit der Autorin zu versuchen und weil ich mich an die Empfehlung erinnerte, nahm ich auch tatsächlich den Lavendelgarten mit, ohne überhaupt zu wissen, worum es in dem Buch geht.

Noch am gleichen Abend begann ich zu lesen. Der Schreibstil ist einfach und erfordert nicht übermäßiges Konzentrationsvermögen. Ich fand das erstmal nicht schlecht und war gespannt, wohin mich das Buch führen würde. Aber so richtig packen konnte es mich nicht. Dennoch gab ich der Geschichte Zeit, wollte das Buch unbedingt mögen. Schließlich war es ein Urlaubsandenken für mich und darüber hinaus ist Lucinda Riley eine fleißige Autorin gewesen, von der ich noch vieles lesen könnte, wenn mir ihr Schreibstil gefiel.

Und so las ich den Roman über ein Herrenhaus in der Provence, eine adelige Familie, ließ es aber zu der schicksalhaften Liebe nicht mehr kommen, die mir der Klappentext versprach, den ich inzwischen doch mal gelesen hatte. Es gab für mich zu viele Augenrollmomente, hölzerne Dialoge, konstruierte Handlung, schale Protagonisten und alles wirkte insgesamt auf mich so, als hätte ich eine Geschichte vor mir, die davor schon hundertmal erzählt worden war und von der ich bereits ahnte, wohin sie steuern würde. Bis Seite 286 kam ich in dem Buch, bevor es dann einige Monate unberührt liegen blieb – und ins vergessen geriet.

Jetzt fiel es mir wieder in die Hände, doch ich verspüre nicht die geringste Lust es weiter zu lesen. Darum werde ich es in Kürze einfach hier im Ort in den Bücherschrank stellen – so schließt sich der Kreis wieder und das Buch hat zwar keine Leserillen, dafür aber rund 400 km auf dem Buckel.

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Lucinda Riley
Der Lavendelgarten
Original: The Light Behind The Window
Aus dem Englischen von Sonja Hauser
Taschenbuch, 512 Seiten
ISBN: 978-3442477975
Preis: 12,00 € [D]
Verlag: Goldmann
Erschienen: 13. Mai 2013

Die Anomalie – Hervé Le Tellier

Seit ich vor gut einem Jahr zum ersten Mal von diesem Buch hörte, interessiert es mich. Immer wieder begegnete es mir, vor allem auch in meinem Instagram-Feed, und meist waren die Leser voll des Lobes. Als ich „Die Anomalie“ letztens als ungekürztes Hörbuch bei Spotify entdeckte, war auch für mich endlich die Zeit gekommen, mich mit diesem Buch zu beschäftigen. Und obwohl es wirklich hervorragend von Camill Jammal eingesprochen wurde, hätte ich es doch lieber selbst gelesen – mit vielen Pausen zum genüsslichen allmählichen Reindenken, Durchdenken und Weiterdenken. Denn „Die Anomalie“ ist ein unterhaltsamer Roman, der sich zwar flüssig weg lesen/hören lässt und dabei doch so viel Philosophisches und Kurioses enthält, das zum Innehalten einlädt.

Auf dem Weg von Paris nach New York gerät im März ein Flugzeug in schwere Turbulenzen und landet trotz Beschädigungen doch sicher im Zielflughafen. Genau drei Monate später landet dort exakt die gleiche Maschine mit genau den gleichen Passagieren. Ein Krisenstab wird einberufen, der sich aus Wissenschaftlern, Philosophen und Vertretern der verschiedenen Weltreligionen zusammensetzt. Sie entwickeln drei Theorien über die Ursachen, während die frisch gelandeten Passagiere in einem Hangar isoliert werden und schließlich ihre Doppelgänger kennenlernen. Jeder der Passagiere trifft auf ein ebenbürtiges Duplikat, von dem ihn einzig und allein drei Monate Lebenserfahrung unterscheidet.

Es kommt zu variantenreichen Gegenüberstellungen. Zum einen gibt es einen Schriftsteller, der sich in der März-Version umgebracht hat und nun in der Juni-Version seinen alten und doch völlig neuen Platz einnimmt. Es gibt zwei Versionen des gleichen Auftragskillers, ein Kind hat plötzlich zwei Mütter und Beziehungskonstellationen geraten durcheinander. In dem Roman geht es weniger darum, wie das alles passieren konnte, sondern vielmehr darum, wie die Betroffenen reagieren und wie die Doppelgänger miteinander umgehen. Von kurios bis nachvollziehbar ist alles vertreten und ist dabei immer zwischen unterhaltsam und nachdenklich. Denn der spielerische Umgang des Autors mit dem Thema lädt trotz unwirklicher Situation doch auch dazu ein, sich selbst einige Gedanken zu machen. Wie würde man selbst damit umgehen, wenn es plötzlich ein weiteres Ich gäbe? Würde man tatsächlich sein eigenes Leben mit der anderen Identität teilen? Und: Was machen drei Monate im Leben aus?

Mir hat dieses Hörbuch große Lust darauf gemacht, das Buch selbst noch einmal in eigenem Schneckentempo zu lesen und genüsslich zu durchdenken. Empfehlenswert!


Die Anomalie
Von: Hervé Le Tellier
Gesprochen von: Camill Jammal
Spieldauer: 10 Std. und 14 Min.
Ungekürztes Hörbuch
Erscheinungsdatum: 25.08.2021
Sprache: Deutsch
Anbieter: Argon Verlag

Gesichter – Tove Ditlevsen

Als ich im vergangenen Monat entdeckte, dass von Tove Ditlevsen ein neues Buch in deutsch übersetzt von Ursel Allenstein erscheinen würde, stand für mich gleich fest, dass ich es lesen werde. Ich war von der Kopenhagen-Trilogie im letzten Jahr so begeistert, dass ich nicht einmal wissen musste, worum es in ihrem neuen Buch eigentlich geht. Vermutlich hätte ich dennoch dazu gegriffen, auch wenn ich gewusst hätte, welches Thema mich erwartet. Denn inzwischen halte ich mich für psychisch so weit gefestigt, dass mich Dämonen aus meiner Vergangenheit nicht gefühlsmäßig überrollen, wenn sie mir in Büchern begegnen. Tatsächlich hatte ich jedoch an diesem Buch ziemlich zu knabbern, weil ich mich an eigene psychotische Erlebnisse erinnert fühlte.

Das liegt nicht so sehr an der Geschichte, die Tove Ditlevsen über ihre Protagonistin Lise Mundus autofiktional erzählt, sondern vielmehr an der Intensität, mit der sie dies tut. Auch wenn mir die inflationär verwendeten Vergleiche und die Bildhaftigkeit ihrer Sprache unangenehm auffielen, so führten diese jedoch genau dazu, dass ich mir lebhaft vorstellen konnte, was in Lise Mundus vorgeht und in welche Verwirrung sie ihre Wahrnehmungen stürzen. Man erlebt beim Lesen hautnah die Psychose der Protagonistin mit, die sie so sehr mitreißt, dass sie nicht mehr Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden weiß und in ihrer ganz eigenen Realität lebt.

Um sich aus ihrem vermeintlich bedrohlichem Zuhause, in dem Mann und Haushälterin sie betrügen und ihr nach dem Leben trachten, zu befreien, täuscht sie ihren Suizid vor und nimmt eine beachtliche Menge Schlaftabletten zu sich, an denen sie fast stirbt. Schließlich landet sie im Jahr 1968 in der Psychiatrie. Als aggressive Patientin, die Essen und trinken verweigert, weil sie fürchtet vergiftet zu werden, wird Lise Mundus fixiert, sie halluziniert und hört Stimmen in Wasserrohren, Heizkörpern und sogar in ihrem Kopfkissen. Ein Zustand, den man beim Lesen nachfühlt und kaum ertragen kann. Aber man erfährt auch, wie sich ihre Lage allmählich bessert und sie zu unterscheiden lernt, was ihr der Wahn beschert und was vielleicht doch real ist.

Man muss nicht die Kopenhagen-Trilogie gelesen haben, um mit diesem Buch etwas anfangen zu können. Wenn man die Bücher jedoch kennt, nimmt man „Gesichter“ als ein Buch wahr, das sich mit den stark autofiktionalen Anteilen in die Geschichte von Tove Ditlevsen einfügt und dem Gesamtbild eine Komponente hinzufügt. Keine leichte Kost und in seiner Wahnhaftigkeit doch erschreckend realitätsnah in der Darstellung einer Psychose.

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Tove Ditlevsen
Gesichter
Aus dem dänischen von Ursel Allenstein
Gebundene Ausgabe, 160 Seiten
ISBN: 978-3351039387
Preis: 20,00 € [D]
Verlag: Aufbau Verlag
Erschienen: 14.02.2022

Das eBook wurde mir freundlicherweise vom Verlag für Rezensionszwecke zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanke.