Mitunter sogar Lachen – Zwischenfälle und Erinnerungen – Erich Fried

Bereits vor vielen Jahren nahm ich dieses Buch von einem Bücherflohmarkt mit, weil ich die Gedichte von Erich Fried sehr schätze. Und dann geriet dieses Büchlein in Vergessenheit, bis ich es kürzlich aus einem der Regalfächer meiner ungelesenen Bücher herauszog, um es als solches in einer Rubrik meines Goodreads-Accounts zu erfassen. Dabei interessierte es mich weniger die Zahl der ungelesenen Bücher zu ermitteln, die ich im Laufe der Jahre angesammelt hatte, sondern es ging mir vielmehr darum herauszufinden, welche Schätze sich darunter befinden. Das funktioniert unter Umständen anhand der Leserbewertungen, die es ermöglichen eine Art Ranking dieser Bücher herauszufinden, und mir so bei der Auswahl der jeweiligen nächsten Lektüre vielleicht behilflich sein konnten. Denn bei der Fülle meiner Bücher meinte ich ein wenig Hilfe zu brauchen.

Dabei wurde ich auf dieses Buch aufmerksam, das zwar in der Buchdatenbank von Goodreads erfasst worden war, jedoch bisher erst eine einzige Leserbewertung auf dem Portal mit einer 5-Sterne-Bewertung erhalten hatte, obwohl es bereits aus dem Jahr 1986 stammt. Das mag zwar nicht gerade aussagekräftig sein, aber ich ließ mich dennoch darauf ein. Und so kam es, dass ich nach vielen Jahren endlich „Mitunter sogar Lachen: Zwischenfälle und Erinnerungen“ des österreichischen Schriftstellers Erich Fried las.

In diesem bewegenden Werk lädt Erich Fried die Leser ein, ihn auf eine Reise durch sein Leben zu begleiten, angefangen von seinen frühesten Erinnerungen bis zu seinen reifen Jahren. Erich Fried (1921–1988) war ein österreichischer Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer, der für seine politisch engagierten Gedichte und seine scharfsinnige Beobachtungsgabe bekannt ist. Er wurde in Wien geboren und musste aufgrund seiner jüdischen Herkunft während des Zweiten Weltkriegs aus Österreich fliehen. Nach dem Krieg lebte er in Großbritannien, wo er sich als Schriftsteller etablierte und sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache schrieb.

„Mitunter sogar Lachen: Zwischenfälle und Erinnerungen“ ist ein autobiografisches Werk, das einen tiefen Einblick in sein Leben und seine Gedanken bietet. Das Buch ist eine Sammlung von Erinnerungen, die von tiefgründigen Reflexionen über Liebe, Freundschaft, Politik und die menschliche Existenz begleitet werden. Frieds eindringlicher Schreibstil und seine Fähigkeit, komplexe Themen auf eine zugängliche Weise zu behandeln, machen dieses Werk zu einer inspirierenden Lektüre für alle, die sich für die Lebensgeschichte dieses bedeutenden Denkers und Dichters interessieren. Empfehlenswert!

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Erich Fried
Mitunter sogar Lachen – Erinnerungen (Quartbuch)
Gebundene Ausgabe, 208 Seiten
ISBN: 978-3803133427
Preis: 22,00 € [D]
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Erschienen: 19. August 2021

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Wo Elfen noch helfen – Andrea Walter

Mit „Warum man Island einfach lieben muss“ ist dieses Buch untertitelt und es hält mit seinem Inhalt, was es verspricht. Allein wie Andrea Walter den Landeanflug nach Island beschreibt weckt bei mir Sehnsüchte und ich möchte am liebsten gleich in das nächste Flugzeug steigen, um mich von der bizarren Schönheit dieses Landes mit eigenen Augen zu überzeugen. Tatsächlich gibt es für mich aber diverse Gründe, aus denen das für mich nicht so einfach möglich ist und so begebe ich mich auf die nächste Station meiner BUCHweltreise und träume ich mich einfach ein wenig mit Andrea Walter nach Island. Seit ihrem Journalisten-Stipendium im Jahr 2003 hat sie das kleine Land im Nordatlantik nicht mehr losgelassen und genau das spürt man auf jeder Seite dieses Buches.

Natürlich begegnen einem hier die kleinen und größeren Berühmtheiten aus der Musik, der Kulinarik, der Politik und der Mythologie gewürzt mit Anekdoten und Erlebnissen der Autorin. Zwischenmenschliches ist angenehm, unterhaltsam und liebenswert. Es gibt Krisen – das Buch ist im Jahr 2011 erschienen – aber nichts scheint so problematisch zu sein, dass sich dafür nicht irgendwelche Lösungen finden ließen. Die geschilderten Gespräche mit Entscheidungsträgern sind nicht hoffnungslos, sondern erwecken das Vertrauen darin, dass mit gesundem Menschenverstand von auf dem Boden gebliebenen Menschen Lösungen gefunden werden können. Das fühlt sich beim Lesen gut an und bietet einen angenehmen Kontrast zu dem, was ich im Jahr 2024 in Deutschland meine wahrzunehmen. Dazwischen gibt es Landschaftsbeschreibungen, die ich mir nur schwer vorstellen könnte, wenn sie mir nicht bereits als atemberaubende Fotos oder Filme aufgefallen wären. Wenn man nicht sowieso schon ein Herz für Island und „die Isländer“ hätte, dann bekommt man es spätestens nach dem Lesen dieses Buches. Empfehlenswert!

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Sicherlich findet sich auch in Island bei näherem Hinsehen das berühmte Haar in der Suppe und politisch ist nicht immer alles so einfach, wie es sich bei oberflächlicher Betrachtung – wie auch in diesem Buch – darstellt, aber die Landschaft…

Wunderschön, doch schaut selbst. Ich habe mich vor kurzem von diesem Video verzaubern lassen, das noch eine Zeitlang bei YouTube verfügbar ist:

-> https://www.youtube.com/watch?v=50d9oqgmRBA

Als Landratte wächst meine Begeisterung fürs Tauchen in und um Island herum durch dieses Video zwar nicht, aber ich könnte mir schon vorstellen im muckelig warmen Allradfahrzeug und ausreichend heißem Tee im Gepäck das Land zu erkunden 😉


Andrea Walter
Wo Elfen noch helfen
Warum man Island einfach lieben muss
Paperback, 208 Seiten
ISBN: 978-3424350654
Preis: 16,00 € [D]
Verlag: Diederichs Verlag
Erschienen: 3. Oktober 2011

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Eine Frage der Chemie – Bonnie Garmus

Da ich bereits so viel Gutes über diesen Roman mitbekommen hatte, wurde ich neugierig und entschied mich für die von Luise Helm hervorragend eingesprochene Hörbuchversion. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte, denn die Geschichte konnte mich dank kantiger aber liebenswerter Charaktere gleich packen und ließ mich bis zum Ende nicht mehr los.

Die hochbegabte Chemikerin Elizabeth Zott hat Schwierigkeiten, in den späten 1950er Jahren in Kalifornien beruflich in der chemischen Forschung Fuß zu fassen. Für kurze Zeit findet sie jedoch zumindest ein privates Glück in ihrer Beziehung zu einem brillianten Chemiker, der am selben Forschungsinstitut arbeitet. Doch um unabhängig zu bleiben, ist sie nicht bereit, ihn zu heiraten. Nachdem er verunglückt ist, entdeckt sie, dass sie schwanger ist und verliert ihren Laborjob. Eher zufällig wird die alleinerziehende Chemikerin 1961 für das Fernsehen entdeckt. Ihre spezielle Art schmackhafte Kochrezepte wissenschaftlich zu erklären und mit gesellschaftlichen Themen zu würzen, macht sie zum Fernsehstar.

Es ist unterhaltsam die Kochzutaten in chemischen Bestandteile zerlegt zu erfahren und auch die Art und Weise, in der die Protagonistin Kaffee zubereitet, stelle ich mir als sehenswert vor. Spaß macht auch, über das Denken und Handeln von Elizabeth Zotts Hund zu erfahren, einem besonders klugen, aber trotz allem nicht zu vermenschlichten Tier, das einem in seiner Kuriosität ebenso ans Herz wächst, wie die Protagonistin, die mit ihrer Ehrlichkeit besticht, der aber jegliche Diplomatie zu fehlen scheint.

Der Roman erzählt zwar eine fiktive Geschichte, doch sie erweckt den Eindruck, dass sie sich vor rund 60 Jahren genau so zugetragen haben könnte, als es zwar bereits das Gleichberechtigungsgesetz gab, die Gleichberechtigung der Frau jedoch noch auf einem ganz anderen Stand als heute war. So macht wütend, was der Protagonistin an Unverschämtheiten, Ungerechtigkeiten und sogar Verbrechen widerfährt, aber es macht auch dankbar für das, was starke Frauen im realen Leben seitdem erkämpft und erreicht haben.

Der Autorin ist mit „Eine Frage der Chemie“ ein Debütroman mit einer guten Mischung an Unterhaltung und Nachdenklichem gelungen. Unbedingt lesens-, beziehungsweise hörenswert!

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Bonnie Garmus
Eine Frage der Chemie
Original: Lessons in Chemistry
Übersetzer: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Gesprochen von: Luise Helm
Spieldauer: 13 Std. und 48 Min.
Ungekürztes Hörbuch
Erscheinungsdatum: 31.03.2022
Sprache: Deutsch
Anbieter: HörbuchHamburg HHV GmbH

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Innehalten, Masche halten – Karin Erlandsson

Zeit, das Strickzeug beiseite zu legen, eine kleine Pause zu machen und sich mit diesem Buch zu beschäftigen. Das ist zugegebenermaßen gar nicht so einfach, denn am Freitag ist die „Sockmadness“ ins Qualifying gestartet, um weltweit die Stricknadeln zum Glühen zu bringen. Als begeisterte Sockenstrickerin lasse ich mir diesen Spaß natürlich nicht entgehen, auch wenn die Geschwindigkeit, mit der manche die komplizierten Sockenmuster stricken, für mich an Hexerei grenzt. Vor allem die Finnen stehen hier unschlagbar an der Spitze. Deshalb war ich besonders neugierig auf dieses Buch von der preisgekrönten finnischen Autorin Karla Erlandsson, die im Bereich Belletristik und Sachbuch veröffentlicht. Sie erzählt in „Innehalten, Masche halten“ unter anderem, wie sie im Alter von 14 Jahren ihren ersten selbst gestrickten Pullover anfertigt und wie das Stricken sie durch ihr Leben begleitet hat.

In diesem ganz persönlichen Memoir gibt sie Einblicke in ihre eigene Strickgeschichte und webt auch Geschichtliches aus den Anfängen des Strickens bis hin zur Gegenwart mit ein. So erfährt man einerseits Interessantes rund um das geliebte Thema, hat aber gleichzeitig das Gefühl, mit einer Strickfreundin im Handarbeitstreff viele Gemeinsamkeiten zu finden, ein wenig zu fachsimpeln und angeregt übers Stricken zu plaudern. Immer wieder macht es Freude das Buch aufzuschlagen und in die angenehme Atmosphäre der kurzen Kapitel einzutauchen. Es ist sicherlich kein Buch, das man in einem Rutsch durchliest, sondern eher eines für die kleinen Strickpausen, in denen man dann außerdem einen Einblick in die Handarbeitskultur Finnlands erhält.

Eine nette Lektüre für Zwischendurch, zum Selbstlesen oder Weiterverschenken.

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Karin Erlandsson
Innehalten, Masche halten
Wie stricken unsere Seele wärmt
Aus dem Finnischen übersetzt von Lotta Rüegger und Holger Wolandt
Original: Det blå garnet
Gebundene Ausgabe, 176 Seiten
ISBN: 978-3764508579
Preis: 17,00 € [D]
Verlag: Blanvalet Verlag
Erschienen: 13. September 2023

Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag für Rezensionszwecke zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanke.

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Mission Erde – Robert Marc Lehmann

Aufmerksam geworden bin ich auf Robert Marc Lehmann erst, als er von Fritz Meinecke für die 2. Staffel von 7 vs. Wild zwar nominiert wurde, aus Zeitgründen jedoch nicht teilnehmen konnte. Weil ich genaueres wissen wollte, landete ich auf seinem YouTube-Kanal Robert Marc Lehmann – Mission Erde, der sich schon bald in meiner Abo-Liste befand und mir nicht nur Wissenswertes über Orcas oder seine unterschiedlichen Missionen berichtet, sondern mich auch durch die Leidenschaft und das Brennen für seine Themen zu begeistern weiß. Dass der studierte Meeresbiologe, Forschungstaucher und vielfach ausgezeichnete Fotograf und Kameramann außerdem ein Buch veröffentlicht hat, das den Titel seines Vereins und Herzensprojekts trägt, war mir zwar bekannt, aber ich war mir nicht sicher, ob ich „missioniert“ werden wollte. Als ich jedoch irgendwann im vergangenen Jahr ein Audible-Guthaben übrig hatte, war ich bereit mich darauf einzulassen und entschied mich für die Hörbuch-Version.

Das war zunächst etwas eigenartig. Denn ich hatte anfangs doch einige Probleme damit, weil Robert Marc Lehmann das Hörbuch nicht selbst eingelesen hat, sondern Gordon Piedesack diese Aufgabe übernommen hatte. Dieser macht seine Aufgabe zwar sehr gut, aber der Text spricht zum Leser eindeutig wie Robert Marc Lehmann, doch die Stimme ist eine andere. Es brauchte einige Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte, doch dann war ich begeistert, wenn man dieses Wort überhaupt verwenden möchte. Denn man erfährt zwar vieles aus dem Leben und Werdegang von Robert Marc Lehmann, der sich dabei auch manchmal als sympathischer Chaot präsentiert, aber er spricht vor allem auch die Themen an, die ihm am Herzen liegen und für die er sich mit Mission Erde e.V. einsetzt – und die sind keinesfalls angenehm.

Robert Marc Lehmann ist weltweit in Einsätzen zur Rettung von Wildtieren und im Kampf gegen Umweltkriminalität unterwegs. Er nimmt uns mit auf sehr emotionale Wal-Rettungen, gefährliche Schildkröten- und Schuppentier-Befreiungen im Dschungel oder teils lebensgefährliche Missionen, bei denen er versucht, den Menschen, die unsere Erde zerstören, das Handwerk zu legen. Er zeigt, wie ernst die Lage ist, macht uns zu Zeugen der dramatischen Ereignisse auf unserem Planeten und erklärt, was jetzt getan werden muss und was jeder einzelne von uns tun kann. Dabei schafft er es, den Finger in die Wunde zu legen, anstatt mit erhobenem Zeigefinger missionieren zu wollen. Lesenswert, vor allem aber auch unterstützenswert.

Auch wenn ich das Hörbuch sehr mochte, empfehle ich dennoch zum Buch zu greifen, da es teilweise illustriert und durch Fotos ergänzt ist.

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Robert Marc Lehmann
Mission Erde
Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen
Gebundene Ausgabe, 368 Seiten
ISBN: 978-3453281417
Preis: 24,00 € [D]
Verlag: Ludwig Buchverlag
Erschienen: 19. April 2021

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Aufzeichnungen eines Serienmörders – Kim Young-Ha

„Schreiben Sie alles auf und führen Sie die Aufzeichnungen immer bei sich. Es kann sein, dass Sie irgendwann nicht einmal mehr den Weg nach Hause finden.“ empfiehlt der Arzt Byongsu Kim, einem ländlichen südkoreanischen Tierarzt im Ruhestand, als dieser zusehends vergesslicher wird und die Diagnose Alzheimer erhält. Und so erfährt man beim Lesen aus eben diesen Aufzeichnungen, die in kurzen Absätzen gehalten sind und gedanklich von einem zum anderen Punkt springen, nicht nur was in dem Erkrankten vor sich geht und wie sich sein Gesundheitszustand verändert, sondern auch wie sich sein Leben immer mehr mit seiner dunklen Vergangenheit vermischt.

Denn Byongsu Kim ist nicht nur Tierarzt im Ruhestand, sondern er hat auch vor gut 25 Jahren seine Machenschaften als Serienmörder aufgegeben, nachdem er die Eltern des Mädchens getötet hat, das er seitdem als seine Tochter aufzieht. Als plötzlich eine Mordserie die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, fragt sich Kim unweigerlich, ob er vielleicht der Täter sei und das nur vergessen habe. Doch als er bei einem Auffahrunfall Jutae Park kennenlernt, sagt ihm sein Instinkt sofort, dass er den wahren Täter gefunden hat und seine Tochter um jeden Preis beschützen muss:

„Meine letzte Lebensaufgabe steht fest. Ich muss Jutae Park umbringen. Bevor ich vergesse, wer er ist.“ 

Der Autor hat mit Byongsu Kim eine Figur geschaffen, für die man eine Form von Sympathie und Mitgefühl entwickeln kann, vor der es einem jedoch gleichermaßen auch grausen kann. Im einen Augenblick philosophiert er darüber, was einen Demenzkranken vom Tier unterscheidet um im nächsten seinen vermeintlich letzten Mord zu planen.

„Aufzeichnungen eines Serienmörders“ ist eines der Bücher, das ich am liebsten gleich nochmal von vorn gelesen hätte, um meine Eindrücke und Schlussfolgerungen nochmal auf den Prüfstand zu stellen und mit dem abzugleichen, was bei diesem ungewöhnlichen Kriminalroman, der 2020 den Deutschen Krimipreis gewonnen hat, am Ende heraus kommt. Ein überraschendes, aber kein konstruiertes gewollt überraschendes Ende, das zwar in gewisser Form auch zu erwarten war und das ich dennoch so nicht erwartet hätte. Absolut lesenswert!

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Kim Young-ha
Aufzeichnungen eines Serienmörders
Aus dem Koreanischen übersetzt von Inwon Park
Taschenbuch, 152 Seiten
ISBN: 978-3442492091
Preis: 11,00 € [D]
Verlag: Goldmann
Erschienen: 14. März 2022

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Farbenblind – Trevor Noah

Je mehr in diesem Jahr die Zeit voranschritt – die Flüge, Unterkünfte und der Mietwagen gebucht waren und es immer greifbarer wurde, dass es in diesem Jahr doch endlich mit unserem Urlaub klappen würde – desto mehr bekam ich Lust darauf etwas zu lesen, was mit dem Land zu tun hat, das wir in Kürze bereisen werden. Als es 2015 zum ersten Mal für mich dorthin ging, las ich den „Fettnäpfchenführer Südafrika“, der mich ebenso informativ wie amüsant auf einige Gepflogenheiten vorbereitete. Dieses Mal entschied ich mich für „Farbenblind“ von Trevor Noah, ein Buch, in dem der als Mischlingskind in Südafrika aufgewachsene und nach Amerika ausgewanderte TV-Star über seine Kindheit und Jugend in den Townships von Johannesburg erzählt.

Trevor Noah wurde 1984 illegal als Sohn einer südafrikanischen Xhosa und einem eingewanderten Deutschschweizer geboren, zu einer Zeit, in der ich als Jugendliche von Südafrika nicht viel mehr wusste, als dass es dort die sogenannte Apartheid gab und dass sich zu der Zeit einige Stars weigerten in Sun City aufzutreten, einem Freizeitkomplex, zu dem nur Weißen der Zutritt erlaubt war. Dass es sowas wie eine Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe gab, fand ich skandalös und muss doch gestehen, dass ich bis vor dem Lesen dieses Buches das Ausmaß der Apartheid nicht einmal ansatzweise begriffen habe.

„In Amerika gab es die Zwangsvertreibung der Indianer in Reservate und die Sklaverei, gefolgt von der Rassentrennung. Nun stelle man sich vor, dass das alles denselben Menschen zur gleichen Zeit widerfährt. Das ist Apartheid.“

Trevor Noah in „Farbenblind“

Es geht in diesem 2017 erschienen Buch nicht darum inflationär die Rassismus-Keule zu schwingen, vielmehr schafft es der Autor, seine Erlebnisse und die seines Umfeldes so zu schildern, dass man die Werkzeuge der Unterdrückung versteht, warum manches sich auf gewisse Weise entwickelt hat und welche Konsequenzen das hatte – und teilweise immer noch hat. Es tut weh die Methodik, die hinter dem ganzen steckt, zu verstehen und wenn man es nicht bereits wüsste, würde man es nicht glauben wollen. Auch wenn man Entwicklungsschritte der Benachteiligten nicht gutheißen kann, so ist doch manches nachvollziehbar. Dennoch verliert Trevor Noah bei den Schilderungen innerhalb der kurzen in sich abgeschlossenen Kapitel nicht seinen Humor und erzählt von seinen Erlebnissen und Eindrücken mit einem leichten Augenzwinkern. Der Ernst der Lage ist einem beim Lesen jedoch durchaus bewusst.

„Farbenblind“ ist ein Buch, das nachwirkt und mich nicht losgelassen hat. Lesenswert!

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Farbenblind
Trevor Noah
Original: Born a Crime – Stories From A South African Childhood
Taschenbuch, 336 Seiten
ISBN: 978-3453640627
Preis: 12,00 € [D]
Verlag: Heyne
Erschienen: 12. April 2023

Couchsurfing in China – Stephan Orth

Auch wenn ich mir für mich nicht vorstellen kann so zu reisen, bin ich doch sehr begeistert von den Couchsurfing-Büchern, die Stephan Orth bisher veröffentlicht hat. Nach Couchsurfing in Russland und Couchsurfing im Iran las ich nun kürzlich auch sein Buch „Couchsurfing in China“. Das Prinzip ist einfach: Man legt sich auf einem Couchsurfing-Portal ein Profil an, fragt bei einem ebenfalls angemeldeten User nach, ob man auf seinem Sofa schlafen kann und bietet im Gegenzug Reisenden seine eigene Couch an. Und ich werde diese Reihe einfach nicht leid, weil Stephan Orth sich eben etwas traut, was ich mich nicht trauen würde und sich zudem noch darauf versteht seine Erfahrungen mit Land und Leuten für den Leser so lebendig werden zu lassen, dass man sich fast wünscht, man würde es doch einmal wagen.

Dieses Mal erkundet er drei Monate lang China und besucht dabei Metropolen, die mit totaler Überwachung experimentieren oder abgeschiedene Dörfer, in denen fürs Willkommensessen der Hund geschlachtet wird. Er versucht sich als tanzender Englischlehrer und Casino-Glücksritter und lernt dabei, welche Träume und Ängste die Menschen bewegen. Wie auch in den vorherigen Büchern gibt es Bilder und Schaukästen mit Kuriositäten und Rankings, sowie Kartenabschnitte, die zeigen, an welchem Ort sich der Autor gerade befindet. So ist das Buch nicht nur inhaltlich sondern auch optisch interessant gestaltet.

Wie auch bei den anderen Büchern trifft Stephan Orth dabei hauptsächlich besonders aufgeschlossene und auch ein wenig risikofreudige Menschen, die manchmal nur über Umwege Zugang zum Couchsurfing-Portal haben und man freut sich beim Lesen darüber, dass Lebensfreude und Revoluzzertum durchblitzen und starres politisches Regelwerk für kurze Augenblicke vergessen scheint. Es tut gut, von solchen Menschen zu lesen und doch war ich beim Lesen dieses Buches noch nicht bereit dafür. Viel zu sehr hatte mich vor einiger Zeit Der Duft von Steinen von Gulchehra Hoya schockiert. In dem Buch beschreibt sie, was den Uiguren in China widerfährt. Das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen und die Couchsurfing-Erlebnisse von Stephan Orth in China beim Lesen für mich von Anfang an überschattet. Gegen Ende des Buches wird das uigurische Leid dann endlich auch thematisiert. Ich bin fast ein wenig erleichtert, weil ich es nicht ertragen hätte, wenn Stephan Orth dieses Thema unter den Tisch fallen gelassen hätte. Im nachhinein betrachtet bin ich mir sicher, dass ich mehr Freude an diesem Buch gehabt hätte, wenn ich es vor dem Buch von Gulchehra Hoya gelesen hätte, aber das lag wohl nicht in meiner Hand.

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Couchsurfing in China
Durch die Wohnzimmer der neuen Supermacht
Stephan Orth
Taschenbuch, 256 Seiten
ISBN: 978-3492317849
Preis: 11,00 € [D]
Verlag: Piper
Erschienen: 1. Februar 2021

Wandering Souls – Cecile Pin

Als ich im Mai Der Gesang der Berge von Nguyễn Phan Quế Mai las, musste ich – auch wenn es um sie in dem Roman nicht ging – oft an die Boatpeople denken, die mir aus meiner Kindheit noch von Fernsehberichten unauslöschlich in Erinnerung geblieben sind. Die in dem Buch geschilderten Schrecken und politischen Entgleisungen, denen die Bevölkerung ausgesetzt war, machten die Flucht der rund 1,6 Millionen Vietnamesen nachvollziehbar, die in den 1970er und 1980er Jahren über das südchinesische Meer ins Ausland zu gelangen versuchten.

An diesem Punkt setzt „Wandering Souls“ von Cecile Pin an. Es handelt sich dabei um ihren ersten Roman, der in Teilen auf ihrer eigenen Familiengeschichte basiert. Sie erzählt darin die Geschichte von drei Geschwistern, die nach Ende des Vietnam-Krieges Ende der Siebzigerjahre mit ihrer Familie fliehen und in einem Lager in Hongkong stranden, wo sie vergeblich auf ihre Eltern und die anderen Geschwister warten. Plötzlich ist die sechzehnjährige Anh für ihre beiden jüngeren Brüder verantwortlich und muss sich mit ihnen nicht nur in einem fremden Land zurecht finden, sondern auch noch die Rolle einer Erwachsenen übernehmen.

Cecile Pin schildert anschaulich die Sorgen und Nöte, in die ihre Protagonisten geraten und doch kommt man ihnen in diesem Roman nicht wirklich nah. Denn die Geschichte der drei Geschwister wird in nicht immer linearen Zeitsprüngen erzählt und dabei immer wieder von anderen Texten unterbrochen, die mich anfangs ein wenig verwirrten. Gelegentlich meldet sich der Geist von Dao, dem kleinen toten Bruder, zu Wort; es gibt einen Zeitungsbericht über Vietnamesische Flüchtlinge, die von einer thailändischen Insel gerettet wurden; außerdem findet man den Brief der Premierministerin Margaret Thatcher an die Familie Nguyen, aber es gibt auch Akten der Downing Street, die Thatchers Abneigung gegen die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge dokumentieren. Daneben kommt die Autorin gelegentlich selbst zu Wort. Ein Lesefluss will hierbei nicht so recht entstehen und manchmal ist es auch ein wenig sperrig, den Anschluss an die eigentlich erzählte Geschichte zu finden.

Und doch schafft es die Autorin, dass dieser fragmentierte Roman allmählich zusammenwächst und neugierig macht. Wissenslücken wollen außerhalb des Buches (Glossar vorhanden) geschlossen werden und regen zum Weiterforschen und staunen an. Chancen und Risiken der Flucht werden erkennbar. Gefühlswelten der geflüchteten Geschwister im fremden Land (England) werden nachvollziehbar und regen zum Weiterdenken an. Eigentlich genau das, was ein gutes Buch ausmacht und sicherlich ein insgesamt gelungener Debüt-Roman. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Autorin weiter entwickelt.

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Wandering Souls
Cecile Pin
Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten
ISBN: 978-3455015706
Preis: 23,00 € [D]
Verlag: Atlantik Verlag
Erschienen: 04. Mai 2023

Das eBook wurde mir freundlicherweise vom Verlag für Rezensionszwecke zur Verfügung gestellt, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanke.

Das achte Leben (Für Brilka) – Nino Haratischwili

Lange Zeit stand dieser Roman auf der Liste der Bücher, die ich unbedingt noch lesen wollte. Aber es ist auch mit über 1.200 Seiten ein echter Wälzer, von dem ich mir nicht sicher war, ob mich die darin erzählte Familiengeschichte wirklich über so viele Seiten hinweg packen würde. Als jedoch die Corona-Zeit anbrach und ich ein Geburtstagsgeschenk für einen lesebegeisterten Menschen suchte, der von sich behauptete gerne Familiengeschichten zu lesen, fiel mir wieder dieses Buch ein, von dem ich schon so viel Gutes hörte und von dem ich mir erhoffte, dass es diesen Menschen von der Isolationszeit ablenken und unterhaltsame Lesestunden schenken könnte. Leider war es für diesen Menschen nicht das passende Buch und so landete es schließlich halb gelesen wieder bei mir, um noch einige Zeit in meinem Bücherregal Staub anzusetzen.

In diesem Jahr nahm ich jedoch wieder „Das achte Leben (Für Brilka)“ von Nino Haratischwili zur Hand und es schien tatsächlich endlich der richtige Zeitpunkt für mich und diesen Roman gekommen zu sein. Es dauerte nicht lange und ich las, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot und genoss es, mich mit den Figuren auf eine etwa einhundertjährige Zeitreise durch die Geschichte der Sowjetunion und Russlands zu begeben und natürlich Georgiens (BUCHweltreise), in dem die Familie beheimatet ist, um die es in diesem Buch geht. Dabei werden einzelne Personen näher beleuchtet und es liegt wohl in der Natur der Sache, dass einem der eine Charakter mehr liegt, als der andere und dass gewisse Zeitabschnitte interessanter sind als andere. Aber dennoch hat mich das Buch nie ganz verloren und ich wollte immer wissen wie es weiter geht und was es mit der Ich-Erzählerin und dieser ominösen Brilka, die schon früh im Buch Erwähnung findet, eigentlich auf sich hat. Bis man das letztlich erfährt, liest man sich durch einen Roman, in dem es manchmal ein wenig märchenhaft, aber auch grausam und brutal zugeht. Dazwischen erfährt man Geschichtliches, was in diesem Roman für eine besondere Mischung sorgt und einen anhand der großen Ereignisse in der Weltgeschichte allmählich in die Gegenwart führt.

Über die Handlung mag ich nicht viel mehr verraten, als das es sich bei diesem Roman um keine der Schöne-Heile-Welt-Familiengeschichten handelt, sondern dass man es hier mit tragischen Schicksalen und Wendungen zu tun bekommt, die nicht immer leicht zu verdauen sind. Aber die Autorin versteht sich auch darin, neben plastischen und lebendigen Charakteren Sätze zu erschaffen, die gefallen und einen innehalten lassen. So wurde dieser Roman für mich zu einem der Bücher, das ich mit Bedauern beendet habe und das ich am liebsten gleich nochmal von vorn begonnen hätte. Für mich ein echtes Highlight und sicherlich nicht das letzte Buch, das ich von Nino Haratischwili gelesen habe!

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Das achte Leben (Für Brilka)
Nino Haratischwili
Taschenbuch, 1.280 Seiten
ISBN: 978-3548289274
Preis: 19,99 € [D]
Verlag: Ullstein
Erschienen: 1. September 2014